Schlagring - Ehering

■ Vater schlug sein acht Monate altes Kind und meinte seine 26jährige Frau: „Wenn ich von der Frühschicht kam, war nicht mal der Haushalt gemacht“

Für den Angeklagten Karsten D. ist ziemlich klar, was ihn vor Gericht gebracht hat: Seine Frau beziehungsweise - wie D. sich korrigiert - „seine baldige Ex-Frau“. Die habe sich schließlich aufgeführt „wie 'ne Emanze aus dem Frauenhaus, wie man so schön sagt.“

Tatsächlich lebt D.s „baldige Ex-Frau“ seit fast einem Jahr in einem Bremer Frauenhaus. Drei Tage nachdem D. seinen acht Monate alten Sohn Sebastian zum dritten Mal so geschlagen hatte, daß ein Kinderarzt noch Tage später „multiple Gesichtsverletzungen“, bis zu sechs Zentimeter lange Platzwunden, Blutergüsse und Prellungen feststellte, die „nur unter erheblicher Gewaltanwendung zustandegekommen sein können“, hatte D.s Frau endgültig ihre Sachen gepackt.

Karsten D. macht vor Gericht gar kein Hehl daraus, daß er ein paar Mal „innerlich explodiert“ sei. Aber, weiß er sich zu rechtfertigen: Im Grunde habe der kleine Sebastian nur abbekommen, was seine Frau redlich verdient habe. Und ab und zu auch bekam, wie D. beiläufig erwähnt: Auch sie hat er geschlagen - aber „nur mit der flachen Hand und mal an den Haaren gezogen.“ Inzwischen ist D. sich sicher: Das mit dem Kleinen war nicht in Ordnung. Das tut ihm inzwischen leid. Aber von seiner Frau könne er doch wohl wenigstens verlan

gen, belehrt D. Zustimung heischend das Gericht, daß die Wohnung aufgeräumt ist, wenn er von der Frühschicht nach Hause kommt.

Stattdessen habe es ausgesehen „wie in einem Schweinestall“. Ausführlich zählt D. Gründe auf, wo nicht seinen Sohn, so zumindest seine Frau zu verprügeln: Die Wäsche war im Wohnzimmer aufgehängt, so daß die Fenster beschlugen, der Abwasch war nicht gemacht und sogar der Arbeitgeber seiner Frau habe sich beschwert, daß sie so langsam sei. Und, D.'s Stimme senkt sich, als wolle er einer besonders skandalösen Facette aus einem ungehörigen Frauenleben gehörigen Nachdruck verleihen: „Sie hat noch nicht mal auf die Ratschläge meiner Mutter gehört.“

Das klingt brutal, hört sich bei D. aber vor allem brutal auswendig gelernt an. Man weiß bei dem kleinen, nuschelnden Männchen, das sich ein ums andere mal in den eigenen Sätzen verheddert, nicht recht, ob sein Verteidiger D.s dumpfen Gedanken nur zur Sprache verholfen hat, oder ob die vordergründige Geschichte von der schlampigen Ehefrau nur eine schlecht gewählte Verteidigungsmaskerade für die unentschuldbaren Entgleisungen eines ohnehin völlig Entgleisten sind.

Für letzteres spricht die Tatsache, daß Richter Nordhausen die Öffentlichkeit nach einstündiger

Verhandlung ausschloß. In einem kurzen internen Beratungsge

spräch seien Dinge zur Sprache gekommen, die den Fall in einem ganz anderen Licht erscheinen

ließen und so weit in die Intimsphäre des Angeklagten reichten, daß sie außer Gericht und Staatsanwalt wirklich niemand etwas angingen.

K.S.