46 Quadratmeter Deutschland

■ Zu Besuch in der Parteizentrale der „Republikaner“: Zackiger Ton, Ausweiskontrolle, Deutschlandfahne

Die schwere Tür in der Weißenburger Straße 21 in Spandau fällt ins Schloß - wir sind drin, in der Parteizentrale der „Republikaner“. Im Zentrum einer Partei, die sich gerne rechtsradikal nennen läßt, die sich verbarrikadiert, von der Polizei geschützt wird und zum Tagesgespräch der Stadt avancierte - für viele ein Rätsel, wie das passieren konnte.

Der erste Eindruck: die Räumlichkeiten karg, klingelnde Telefone, ein paar Tische, gestikulierende, ruhelose Leute. „46 Quadratmeter. Mehr sind das nicht. Aber hier haben wir die Berliner Wahl gewonnen“, sagt stolz ein Kurzharrschnitt und scheint von sich und seiner Partei maßlos überzeugt. 46 Quadratmeter Deutschland, nicht viel für rund 90.000 Wähler. „Ein Interview mit Herrn Andres?“ fragt ein etwa 35jähriger Mann, Typus Wachhund, und läßt uns keine Wahl: Ja. „O.K.“, kriegen wir zur Antwort, „Ausweiskontrolle“. Nach Prüfung der Papiere (Ich hatte nur einen Presseausweis: „Kein Paß? Na, dann werden Sie doch von den Alliierten erschossen!“) werden wir in den „Konferenzsaal“ geführt. Parteiembleme, Deutschlandfahne und ein langer Tisch, an dessen Ende jener Mann sitzt, der 7,5 Prozent der Berliner Wähler hinter sich weiß: Bernhard Andres, Polizeihauptmeister - der Chef. Er wirkt wie ein kleiner Pate, dem wir unsere Audienz erweisen sollen. Ausgesprochen höflich werden wir gebeten, Platz zu nehmen, und das Gespräch beginnt mit einer erstaunlichen Bemerkung Andres: „tageszeitung? Wir haben natürlich ganz genau verfolgt, was Sie machen: sehr objektive Berichterstattung, sehr objektiv.“ Ich denke: Entweder der Mann hat einen Knall oder er ist die Ironie in Person. Haben wir Fehler gemacht?

Mit nichts, aber auch gar nichts läßt sich Andres in den folgenden 15 Minuten aus der Ruhe bringen - es scheint, als sei er der freundlichste Polizist der Stadt. „Nein“, zur CDU habe er überhaupt kein Verhältnis und Neuwahlen fürchte er bestimmt nicht: „Wir haben das Potential, wir haben uns etabliert.“ Ob er denn meine, mit 7,5 Prozent die Berliner Politik beeinflussen zu können? Die Frage wird schlicht ignoriert: „Wir werden im Abgeordnetenhaus alle Anträge prüfen. Solche, die uns gefallen, werden wir natürlich unterstützen.“ Er weigert sich stetig zuzugeben, wie isoliert seine Partei, wie wenig Einfluß er tatsächlich hat. Konkret wird Andres nur, wenn es um die Ausländerpolitik geht: „Wir wollen doch nichts anderes, als ausländische Familien in ihrer Heimat zusammenzuführen und Gastarbeiter mit Zeitverträgen auszustatten.“ Andres sagt das in einem Ton, als wäre das eine Selbstverständlichkeit, als hingen davon keine Menschenleben ab, als wäre das gar nichts.

Nächstes Thema ist der Mitgliederboom. Seit der Wahl, wird uns gesagt, hätten sich die „Republikaner“ verdoppelt. Etwa 500 Eintritte habe es in den letzten Tagen gegeben. Die ständig klingelnden Telefone, aus Britz, Bukow, Neukölln, Wedding, von überall kämen Anfragen, sagt Andres, wie die Mitgliedsmodalitäten wären - die Zahlen könnten stimmen.

Als wir das Feld wieder räumen, lassen sich beim Hinausgehen noch drei Beobachtungen machen, die ebenfalls zu den „Republikanern“ gehören: Da ist einmal ein alter Mann, der in Trachtenanzug und keineswegs demokratischen Abzeichen regungslos in der Ecke steht, da ist eine junge Frau, die auf Sekretärin mimt und keinen Hehl daraus macht, daß sie sich mit der gesellschaftlichen Rolle der „deutschen“ Frau vollkommen zu identifizieren scheint, und da sind schließlich zwei junge Männer, die, später im Bus, einen Mann anpöbeln, ihn als „Fixer“ bezeichnen und Prügel androhen. An diesem Abend haben wir gelernt, wie es die „Republikaner“ verstehen, rechtsradikale Politik mit einem Touch von Seriosität zu ummanteln. Das machen sie bravourös. Und noch viele werden darauf hereinfallen.

Holger Schacht