Der große Run auf die Parteibücher

■ Haufenweise Post nach der Wahl / Masseneintritte bei AL und SPD / Mehrheitlich für rot-grüne Koalition / Politologe Altvater: „Die rot-grüne Chance ergreifen“ / Anrufer bei der SPD: Gegen große Koalition

Haufenweise Post und neue Mitglieder verzeichnen die Berliner Parteien nach den Wahlen. „Bei uns steht das Telefon nie still, viele Leute wollen uns so quasi ihre Glück- und Segenswünsche übermitteln“, beschreibt ein Sprecher der AL die Situation in der Parteizentrale. Briefe von Organisationen und Einzelpersonen, die seit vergangenem Sonntag die Schreibtische der ALer überhäufen, haben überwiegend Einheitstenor: Für Rot-Grün.

So verfaßte beispielsweise der Politologe Elmar Altvater spontan einen Aufruf zur SPD-AL-Regierung und sammelte unter den DozentInnen des polititischen Fachbereichs der FU 70 Unterschriften. „Die rot-grüne Chance ergreifen“, so titulierte Altvater den Apell, den er an die Parteizentralen von AL und SPD verschickte.

Auch Mieterverein, BUND sowie der Personalrat des Rudolf -Virchow-Krankenhauses haben der AL geschrieben, um die Partei aufzufordern, mit der SPD eine Koaltion einzugehen.

„Zehn bis fünfzehn Neueintritte verzeichne die AL pro Tag“, so der AL-Sprecher. Oft sind das Leute, die nur sehr wenig über die AL wissen. Bei denen hören wir vor allem das Argument: „Wir haben jetzt die Schnauze voll. Rot-Grün muß ran.“ Das sei aber auch überhaupt die einhellige Meinung aller, die sich jetzt in der AL politisch engagieren wollten, erklärt der ALer. Stimmen, die gegen ein Bündnis mit der SPD seien, gäbe es „höchstens zwei am Tag“.

Auch in der SPD-Parteizentrale melden sich zuhauf Stimmen aus der Bevölkerung. „An die tausend Briefe und Anrufe seien nach der Wahl eingegangen“, so ein SPD-Sprecher. Vor allem würden Einzelpersonen Stellung nehmen. „Zu 90 Prozent sagen uns die Leute, daß sie gegen eine große Koalition mit der CDU seien“, erklärte er. Mittlerweile würden aber auch schon viele nicht mehr ein Bündnis mit der AL wollen. Die meisten erklären uns nur, was sie nicht wollen. „Eigene Vorschläge, wie man in Zukunft regieren soll, machen die Leute selten“, meinte der SPD-Vertreter. Anrufe und Briefe kämen auch von Kinderläden und Bürgerinitiativen, wie der Wählerinitiative Umwelt oder dem VCD (Verkehrsclub der Bundesrepublik Deutschland). Ganze Unterschriftenlisten gehen hier ein. „Da setzen sich viele für eine SPD/AL Koalition ein.“ Auch jede Menge Neumitglieder verzeichne die SPD. Der Sprecher aus der Parteizentrale erklärte, daß er jedoch keine genauen Zahlen nennen könne, da sich die Parteiinteressierten vor allem in den Bezirksverbänden melden würden.

Neueintritte in „beträchtlichem Umfang“ meldet auch die CDU. „Viele Bürger wollen sich jetzt engagieren und bei uns mitarbeiten“, so ein CDU-Sprecher. Briefe und Anrufe aus der Bevölkerung seien überwiegend gegen eine SPD/AL-Koalition gerichtet. Wenig Reaktionen habe es bislang zu den Wahlerfolgen der „Republikaner“ gegeben.

Acht Jugendverbände haben sich gestern auf einer Pressekonferenz für eine SPD/AL-Koalition ausgesprochen. Eine rot-grüne Zusammenarbeit biete die Chance, die Forderungen vieler Jugendlicher in konkrete Politik umzusetzen, erklärten Vertreter von den „Falken“, dem Sozialistischen SchülerInnenbund, sowie den Jusos und dem AL -Jugendbereich. Qualifizierte Ausbildungsplätze, demokratisierte Schulen und Hochschulen sowie bezahlbarer Wohnraum für alle müßten in Zukunft gewährleistet werden, so die Jugendlichen.

cb