AL überzeugt: „Die wollen“

Erste Gespräche zwischen Alternativer Liste und SPD in Berlin zeigte große Bereitschaft zum Entgegenkommen auf beiden Seiten  ■  Aus Berlin Brigitte Fehrle

Die Weichen stehen auf Rot-Grün. Als gestern am späten Nachmittag die Berliner Sozialdemokraten zum ersten Mal VertreterInnen der Alternativen Liste im Kasino des Rathaus Schönebergs gegenübersaßen, ging es zwar noch ein bißchen steif und eckig zu. Es herrschte aber eine freundlich-offene Atmosphäre: Beide Seite meinen es ernst mit den Gesprächen zur Zusammenarbeit. Die erste Stunde, so hatten sich die beiden Parteien geeinigt, soll öffentlich geredet werden, später nur noch unter den Augen von 20 „Basisvertretern“ der AL.

Am Abend trat dann Walter Momper in aufgeräumter Stimmung vor die Presse. Ihm sei die „Ernsthaftigkeit der AL“, in Verhandlungen einzutreten, deutlich geworden. Die Alternativen seien seiner Meinung nach bereit, viel für eine rot-grüne Zusammenarbeit zu tun. Auch in Sachpunkten habe man Übereinstimmung festgestellt. Momper verglich das Gespräch mit dem Gespräch mit der CDU vom Vortag: „Unvergleichlich vager und allgemeiner“ sei das gewesen. Die CDU habe nicht erkennen lassen, daß sie im Kern eine andere Politik machen wolle.

Positiv überrascht zeigte sich auch die AL vom Gesprächsklima und der Bereitschaft der SPD. Er habe viel mehr Reserviertheit erwartet, sagte Christian Ströbele. Selbst im Bereich Innere Sicherheit, Verfassungsschutz und Polizei scheint es ihm „nicht ausgeschlossen“, daß Gespräche konstruktiv verlaufen könnten, sagte er. Ströbele zu den Chancen einer Koalition: „Die wollen.“

Zu den sogenannten Essentials, der Übernahme der Bundesgesetze, der Gewaltfrage und der Präsenz der Alliierten setzen die Gesprächspartner eine Unterkommission ein. Schon am nächsten Dienstag wollen sich AL und SPD zu weiteren Gesprächen treffen.

In der ersten öffentlichen Beratungsstunde hatte Walter Momper das Wahlergebnis als, „Linksruck“ gedeutet. Er betonte ausdrücklich und ausführlich die Gemeinsamkeiten in den Zielsetzungen der beiden Parteien: Bekämpfung der Wohnungsnot, der Arbeitslosigkeit und die Kritik an der Gesundheitsreform. Hier gegenzusteuern, sei ein klares Votum der Wähler.

Wie man die Frage der Essentials umschiffen kann, darüber zerbricht sich die AL die Köpfe. Harals Wolf erteilte Momper in dieser Frage eine dezente Rüge. Es sei kein guter Auftakt für Gespräche, daß diese drei Punkte nun grade am Anfang stünden, monierte er. „Gegenseitiger Respekt und Akzeptanz der Identität der beiden Parteien“, das seien die wichtigsten Voraussetzungen für das Gelingen der Gespräche zwischen Rot und Grün. Nur wenn man nicht versuche, „sich über den Tisch zu ziehen“, könnte Fortsetzung Seite 2

Rot-Grün...dieser Spannungspunkt konstruktiv sein. Er wolle keine Machtspiele und Erpressungsversuche. Wolf zu den von Momper genannte Essentials: „nicht für einen guten Auftakt“. Vor allem weil gerade in diesen Fragen die AL häufig falsch zitiert worden sei. „Konfliktfähigkeit“ und „Offensivkraft“ seien nötig, um die sicher bevorstehenden Kampagne von rechts gegen ein rot-grünes Bündnis auszuhalten.

Eine Stunde hatten sich die beiden Parteien im Lichte der Öffentlichkeit ausgetauscht. Bei den weiteren Beratungen wurden Presse und BesucherInnen dann ausgeschlossen. Nur 20 AL-Mitlgieder ohne Rederecht sollten die, von der Partei geforderte Öffentlichkeit mimen.

Am Vorabdned hatte SPD-Chef Momper nach den ersten Gesprächen mit der CDU erklärt: „Klar ist, daß sowohl innerhalb der SPD als auch in der Bevölkerung eine mehrheitliche Stimmung in Richtung rot-grün geht“. Während die SPD ihre Punkte für die Verhandlungen vorgelegte, ging die AL gestern mit einem Papier in die Verhandlungen, das aus der Zeit vor den Wahlen stammte und als „Arbeitsprogramm für den Start in die neue Legislaturperiode“ bezeichnet war. In einer langen Debatte am Mittwoch abend hatte der AL -Delegiertenrat die neunköpfige Verhandlungskommission benannt: die Fraktion soll durch Bernd Köppl, Hilde Schramm und Renate Künast vertreten werden, der „Geschäftsführende Ausschuß“ durch Christian Ströbele, Harald Wolf und Birgit Arkenstette. Dazu kommen drei VertreterInnen des Delegiertenrates: Benny Guttmann, Angelika Hirschmüller und Renate Giese.