Mit straffem Management gegen die Finanzmisere

Ärger um das Sanierungskonzept der Arbeiterwohlfahrt in Südhessen / Mit Gesellschafterneugründungen will die AWO notwendige Kasse machen / Initiator der schwer durchschaubaren Geschäfte ist der AWO-Geschäftsführer und Frankfurter SPD-Politiker Polzer  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Der Krach um das Sanierungskonzept der Arbeiterwohlfahrt (AWO) im Bezirk Hessen Süd findet nur schwerfällig seinen Weg an die Öffentlichkeit. Gewerkschafter und Betriebsräte mauerten, Vertrauensleute schwiegen, die SPD wußte von nichts. In der vergangenen Woche reihte sich eine Sitzung an die andere, in der die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr und der traditionelle Verband versuchten, ihre Konflikte beizulegen.

Zum Zerwürfnis zwischen Gewerkschaft und MitarbeiterInnen der AWO kam es, weil der finanziell marode gemeinnützige Verein, der über 300 soziale Einrichtungen betreibt, versucht, aus den Miesen herauszukommen. Er gründete mittlerweile drei - Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Seither fürchtet der Betriebsrat um die Mitbestimmung. Kleine GmbHs mit, so ein Vertrauensmann, „fünf Leuten, von denen zwei leitende Angestellte“ sind, hebeln engagierte MitarbeiterInnen aus. Der Betriebsrat fühlte sich außerdem übergangen, sah das 13.Monatsgehalt bedroht und monierte Zeitverträge.

Federführend für das Sanierungskonzept ist der Geschäftsführer der AWO, Erhard Polzer. Er sitzt gleichzeitig für die SPD als Stadtverordneter im Frankfurter Römer, ist sozialpolitischer Sprecher seiner Partei und Verbandsfunktionär in der Verwaltungsspitze des Landeswohlfahrtsverbandes. Polzer gründete bisher die „Gemeinnützige Gesellschaft für den Betrieb von Alten- und Pflegeheimen“, deren Geschäftsführer er ist. In ihr, so sagte Polzer in einem Interview mit dem 'Sozialmagazin‘ schon im Herbst 1987, sollen die mittlerweile wenig frequentierten und daher nicht lukrativen Altenheime in Pflegeheime, „sogar in Alterspsychiatrien“ umgewandelt werden. Polzer: „Wir haben Management in unseren Laden reingebracht, und zwar ganz straffes Management.“

Auf Management setzt Polzer auch in der zweiten GmbH, der „Gemeinnützigen Gesellschaft zum Betrieb von Sozialeinrichtungen“. In ihr sind ein Kinderheim, Drogentherapie, ein Asylanten- und ein Müttergenesungsheim und ein Aussiedlerheim in Grünberg zusammengefaßt. Auch hier ist Polzer Geschäftsführer. Er besorgte dem mit zweistelliger Millionensumme in der Kreide stehenden Bezirksverband Bankkredite und kaufte innerhalb eines Jahres 30 hessische Immobilien zusammen, darunter eine Disco, eine Tankstelle, das Gebäude eines Amtsgerichts und zahlreiche Hotels und Pensionen. Die Lokalzeitung 'Lahn-Dill -Nachrichten‘ klagte im Herbst 1988: „Überall im alten Dillkreis erwirbt die AWO nicht mehr rentable Hotelbetriebe.“ Das Blatt zitiert Polzer als „Immobilienbeauftragten der AWO“. Es moniert, daß die AWO mit den Einkäufen die örtliche Gastronomie ruiniere. Die Häuser sollen nämlich, sagen Insider, fast ausschließlich Aussiedler aufnehmen, in denen der Wohlfahrts-Manager einen Ausweg aus den roten Zahlen des Verbandes sieht. Aussiedler bringen Geld. Ein Drei-Jahres-Vertrag mit dem Land Hessen sichert die Belegung der Heime laut Sozialministerium zu einem Preis von „10 bis 20 Mark“ pro Tag und Person statt der branchenüblichen 35 Mark. Bleiben die Heime so lange ausgelastet, übersteigen sie nach Ablauf der Vertragsfrist ihren Einkaufswert. In einer dritten GmbH ist ein Altenheim in Oberursel durch den Bezirksverband der AWO an den Kreisverband Frankfurt verpachtet und dann von dessen Johanna-Kirchner-Stiftung gekauft worden. Als Geschäftsführerin dieser Gesellschaft ist Polzer-Ehefrau Esther Weitzel-Polzer eingetragen. Mittlerweile kursieren unter MitarbeiterInnen auch Gerüchte über die Planung der Gründung einer vierten GmbH, die, abgetrennt vom Aussiedlerbereich, den „Rest der AWO-Dienste“ umfassen könnte.

Polzer, dessen Kompetenz in der Altenpflege auch von Kritikern nicht angezweifelt wird, machte sich Feinde mit seinen rüden Sanierungsmethoden. So drohte er schon vor der Bezirkskonferenz der AWO am 14.Juni 1986 in Herborn in einem internen Papier, nur ein „außergerichtlicher Vergleich“ könne den Verband noch retten. Er forderte die alten Vorstandsmitglieder auf, nicht mehr zu kandidieren „und damit den Übergang zu einem neuen Vorstand ohne größeres presseöffentliches Echo“ zu ermöglichen.

Auch Polzers Methode, in seinen „streng vertraulichen“, aber weitgestreuten Papieren Dritte ins Spiel zu bringen, hatte ihr Echo. Das kam seinerzeit aus dem Haus des damals noch amtierenden Sozialministers und Parteigenossen Armin Clauss. Polzer hatte ihn zum Zeugen für seine Kritik an der AWO angerufen. Der Minister selber, schrieb Polzer, habe den geschäftlichen Dillettantismus der AWO gegeißelt und gesagt, er wolle Geld lieber an „Kirchen oder Anthroposophen“ geben.

Clauss wetterte: „(...) so muß ich feststellen, daß ich die mir zugeschriebenen Aussagen nie gemacht, und auch nicht die Absicht habe, mich von wem auch immer in innerverbandliche Auseinandersetzungen hereinziehen zu lassen.“ Bissig merkte der Minister am Schluß des Briefes an, er habe dies „dem gleich großen Kreis zur Kenntnisnahme“ gegeben.

Im Winter 1988 reiste Polzer im Sinne modernen Managements mit einer Gruppe von Heimleitern nach New York, der Zuschuß von 400 Mark pro Person nahm sich allerdings eher bescheiden aus. In der dritten Januarwoche dieses Jahres machte sich Polzer auf, bei seinen Heimleitern Loyalitätserklärungen für seine Person einzusammeln.

Polzer ist als Geschäftsführer schon einmal gescheitert. Als er 1984 die Gewerkschaftsgaststätte „Rote Nelke“ in Frankfurt postmodern umstrukturieren wollte, blieben die Gäste aus. Gescheitert ist er in den Augen vieler MitarbeiterInnen auch menschlich. Er zeichnete verantwortlich für die AWO, als Mitte Dezember 1988 ein Kinderheim der AWO in Kronberg im Taunus brachial geräumt wurde. In dem Heim waren alleinreisende ausländische Kinder untergebracht, die im Zusammenspiel zwischen Bundesgrenzschutz, Jugendämtern und AWO direkt vom Frankfurter Flughafen dorthin verbracht worden waren. Polzer begründete die Blitzräumung damit, daß die „emotionalen Bindungen zwischen Kindern und Betreuern“ zu stark geworden seien.