Berlin und Paris

Front National und Republikaner - die Gefahr von rechts  ■ K O M M E N T A R E

Sechs Jahre schon ist eine links-ökologische Partei im deutschen Bundestag vertreten, doch zeigte sich bis zum heutigen Tage kein seriöser politischer Gesprächspartner für die Bonner Grünen jenseits des Rheins. Französische Kommunisten schauen traditionell lieber nach Ost-Berlin, und aus Sicht der in Paris regierenden Sozialisten geben schon die Bonner Sozialdemokraten Anlaß zum Streit genug.

Was die Linke dies- und jenseits des Rheins von Adenauer und De Gaulle nie lernte - die Rechtsradikalen machen es hier heute vor. Le Pen ließ sich nicht zweimal zum deutsch -französischen Dialog bitten. Nun liegt sein Angebot an Schönhuber auf dem Tisch. Der aber wird wissen, daß es sich lohnt, sich am Führer der französischen Rechtsradikalen ein Beispiel zu nehmen. „Nichts geht mehr in Frankreich ohne die „Front National“, hatte Le Pen im April letzen Jahres verkünden können, nachdem ihm fast 4,5 Millionen Franzosen seine Stimme gegeben hatten. Von seinem ersten Wahlerfolg in der Provinzstadt Dreux 1983 bis zu seinem Siegeszug im letzten Jahr reichten Le Pen fünf Jahre. Ist Berlin ein deutsches Dreux?

Heute ist es für die Bonner Parteien höchste Zeit, Lehren aus der Geschichte Le Pens zu ziehen. CDU und CSU täten gut daran, sich auf die Gründe der Wahlniederlage der französischen Konservativen im letzten Jahr zu besinnen. Mit einer repressiveren Ausländerpolitik, mit der Verherrlichung von Recht und Ordnung und einem Blankoscheck für alle Brutalitäten der Polizei hatte die rechtsliberale Regierung unter Chirac versucht, den ungeliebte Widersacher auf der Rechten politisch zu vereinnahmen. Am Ende war Le Pen stärker als je zuvor.

Währendessen veranlaßten die Wahlerfolge Le Pens die französische Linke zur Selbstüberschätzung. Ohne Le Pen wäre Mitterrands erneuter Wahlsieg kaum denkbar gewesen. Nur mit einer auf dem rechten Flügel geschwächten bürgerlichen Regierung konnte sich der sozialistische Präsident nach der Wahlniederlage der Sozialisten bei den Parlamentswahlen 1986 an der Macht halten. Doch bis heute gibt es kaum einen französischen Sozialisten, der bereit ist, dies einzugestehen.

Diese Gefahr ist auch in der BRD vorhanden, daß Grüne und SPD nunmehr in der Erfolgen der Republikaner ihre einzige Möglichkeit sehen, eine rechnerische Mehrheit „links von der Mitte“ zu erreichen. Mit derlei Zahlenspiel verdecken die französischen Sozialisten seit Jahren den ideologischen Autoritätsverlust ihrer Partei. Die Erfolge Le Pens fielen in Frankreich nicht zufällig in eine Zeit, als man viel vom „Ende der sozialistischen Utopie“ sprach. Der Wahlerfolg der Rechtsradikalen sollte in Berlin die Linke vor Fragen stellen - die Antworten liegen mehr denn je im deutsch -französischen Dialog, der nun auf der falschen Seite beginnt.

Georg Blume, Paris