Antreten zum Glauben

■ Schneidiger Oberstleutnant a.D. brachte Bremer Christen auf Trab

Der Gottesdienst in der St.-Martini-Gemeinde folgt der Dramaturgie des Kasernenhofs. Neu Rekrutierte werden mit einer 16-Punkte umfassenden Chekliste in die „Ordnung des Predigt-Gottesdienstes“ eingewiesen. Unter Punkt 15 ist regelmäßig Lied 140 zu singen - soweit kanzelseitig nicht anders „abgekündigt“. Gehobenere Gemeinde-Dienstgrade im streibaren Heer Gottes wissen auch ohne Marschallstab im Glaubenstornister, wann wo aufzuspringen, glaubenszubekennen, zu singen, Haltung vor Vater unser anzunehmen ist.

Pardon wird ohnehin nicht gegeben. Die liturgischen Abschnitte enden jeweils in pastoralen Kurzkommandos. Die Bibellesung z.B. mit einem knappen „Halleluja“. Die Gemeinde weiß, was sie zu tun hat. Ein vielstimmiges Halleluja echot dem strammstehenden Strategen unter der wunderschön geschnitzten Kanzel entgegen.

Dem, einem weißhaarigen Ladestock von baltischem Adelsgeblüt, wie er überflüssiger Weise mehrfach in seine Predigt einzuflechten weiß (sein pathetisches Schwärmen von der unjemein wohljeordneten Welt des Jlaubens in einer aufjewühlten Welt hätte ohne ausdrückliche Auskunft hinreichenden Aufschluß über seine Herkunft jejeben), fällt zwar nicht sondelich viel zu Lukas 18 ein. Wenn man einmal davon absieht, daß ihn die en passent vollzogene Heilung eines blinden Bettlers bei Jesu Einzug in Jerusalem als „etwas Jroßes und Schönes“ ankömmt. Um auf so beredtere Weise kommt Pastor von Askas dafür immer wieder auf seine Zeiten als Oberstleutnant zurück. Keine biblische Botschaft, zu der dem Pastor keine soldatisches Pendant aus der eigenen Militärlaufbahn einfiele: Dem geheilten Bettler muß es ungefähr gegangen sein, wie den schneidigen Kameraden von Pastor Askas, die im Lazarett plötzlich ohne Arm aus der Narkose aufwachten „und doch Pianisten werden wollten.“ Aber: Auch die eigene Verstümmelung hat einen tiefen Sinn, weiß der Prediger: „Denn Gott nimmt nie, ohne gleichzeitig zu schenken.“ Den Kameraden hat er damals im tiefsten Schmerz den Weg zum Glauben offenbart. Und den ungläubigen Jüngern zu Emmaus muß es ungefähr gegangen sein wie dem Pastor, als er 1943 direkt von der Kadettenschule an die Front abkommandiert wurde. Da, habe ihn der befehlshabende Offizier auch mit der niederschmetternden Erkenntnis empfangen: „Krieg ist nicht mehr zu gewinnen“ Trotzdem tun wir unsere Pflicht.“ Und es sei ihm wohl so ergangen wie den Ungläubigen in Jesu Passionsgefolge, die von ihrem Herrn auch statt stummen Duldens eine „messianische Machtergreifung“ erwartet hätten.

Gemeinde abtreten. Glauben, marsch, marsch.

Klaus Schloesser