Gemeinsames Gedenken zum 70.

■ Der getöteten Räte-Republikaner vor 70 Jahren gedachten KommunistInnen und SozialdemokratInnen erstmals zusammen auf dem Waller Friedhof

Ob denn nun rund 400 bis 500 Menschen am Samstag auf dem Waller Friedhof froren und der Räterepublik gedachten, wie Joachim Barloschky (DKP) meint, oder „mindestens 1.500“, wie Walter Franke (SPD) gar Stein und Bein zu schwören bereit ist: Dies war und blieb wirklich die einzige Unstimmigkeit zu der erstmals von Kommunistinnen und Sozialdemokraten gemeinsam vorbereiteten und gemeinsam abgehaltenen Gedenkfeier auf dem Waller Friedhof für die Opfer der Niederschlagung derBremer Räterepublik vor genau 70 Jahren. Trotz des unerfreulich naßkalten Wetters versammelten sich die TeilnehmerInnen am Pastorenweg und zogen gemeinsam mit Fahnen der SPD, des sozialistischen Bundes, der Jusos und der DKP die Waller Heerstaße hinunter bis zum Friedhofs -Hauptportal. Vor dem Mahnmal für die Gefallenen der Räte -Republik wurden Kränze und Blumensträuße niedergelegt und in Reden der Vergangenheit und Gegenwart gedacht.

„Perestroika und Glasnost“ wollte der Sozialdemokrat und Redner Franke auf die eigene Vergangenheits-und Geschichtsbewältigung angewendet wissen. Die Kommunistin Katja Barloschky erinnerte an die 60er Jahre, als die Erdbeer-Brücke noch im Bau und die Apo festentschlossen war: Wir spielen wie

der Räterepublik, aber diesmal gewinnen wir! So ginge das nicht. Da wäre zum Beispiel die weibliche Hälfte der Menschheit ganz außen vor geblieben. Und ob die Rätedemokraten damals wirklich die Köpfe und Herzen der Mehrheit für sich gehabt hätten?

Senator Konrad Kunick stand mit einer Grußadresse des Senats auf dem Friedhof vor den erstmals gemeinsam Versammelten - „ein ganz neuer Vorgang“, freute sich Joachim Barloschky. Viele auch ältere Leute aus Walle und Gröpelingen waren gekommen. Ingrid Franke zur taz: „Endlich

einmal sind die Ränder zwischen Komunisten und Sozialdemokraten an diesem Tag friedlich verwischt! In früheren Jahren verkrochen sich doch die Sozialdemokraten mit zu Recht schlechtem Gewissen und ließen die anderen allein.“ Schauspieler Michael Wilmes rezitierte Gedichte von Bert Brecht. Die Polizei lief arbeitslos mit. „Erinnern, um zu lernen“ war das Motto der diesjährigen 70jährigen Gedenkens. Die Hauptlehre scheint den TeilnehmerInnen die glückliche Erfahrung der erstmals gemeinsam gemachte Sache zu sein. S.P