: „Feindbilder abbauen“
Zum Besuch von Bundeswehroffizieren in der DDR ■ I N T E R V I E W
Jörg Schultze-Trieglaff war bis zu seinem Dienstende als Hauptmann der Bundeswehr vor zwei Jahren aktives Mitglied des „Darmstädter Signals“, das innerhalb der Bundeswehr kritische Positionen gegenüber der Sicherheitsphilosophie vertritt.
Heute ist Schultze-Trieglaff Mitglied im bundesweiten Förderkreis, der Organisation u.a. aus Exgeneralen, Juristen, Journalisten, die das „Darmstädter Signal“ in der Öffentlichkeit unterstützt.
taz: Was ist der Zweck der Begegnung der Bundeswehroffiziere mit den Soldaten der Nationalen Volksarmee?
Schultze-Trieglaff: Es geht bei dieser Begegnung um den Versuch, Vorurteile und Feindbilder abzubauen. Das ist nur auf Grund authentischer Informationen an Ort und Stelle möglich. Außerdem ist es wichtig, bei solchen Begegnungen das politische Klima und Umfeld, in denen die Soldaten der anderen Seite sich bewegen, zu erfahren.
Nun läßt sich ja argumentieren, daß durch die auf der Stockholmer Konferenz über Vertrauensbildung in Europa (KVAE) vereinbarten gegenseitigen Manöverbeobachtungen zwischen Soldaten von Nato und WVO ausreichend Gelegenheiten für derartige Begegnungen geschaffen wurden.
Bei den Treffen zwischen Soldaten beider Seiten im Rahmen von Manöverbeobachtungen geht es fast ausschließlich um militärstrategische und -taktische Aspekte der gerade stattfindenden Manöver. Die vom „Darmstädter Signal“ initiierten Treffen bieten aber die Chance, über für den Feindbildabbau so wichtige Themen wie politische Bildung in den Streitkräften, innere Führung oder das Verhältnis von Armee zur Politik der Staaten zu diskutieren. Außerdem können bei derartigen Gelegenheiten auch Fragen der Abrüstung angesprochen werden, was bei Manöverbeobachtungen nicht passiert.
Verstoßen die Bundeswehroffiziere mit ihrem Besuch nicht gegen die Politik der politischen Führung, da die Hardthöhe bislang ja Gespräche mit dem DDR-Verteidigungsministerium immer abgelehnt hat?
Überhaupt nicht. Jeder Soldat hat in seiner Freizeit das Recht, überall hinzureisen und zu treffen, wen er will zumal wenn er kein Geheimnisträger ist. Es wäre wünschenswert, wenn sehr viel mehr Offiziere, aber auch Wehrpflichtige der Bundeswehr als bisher die Initiative zu solchen West-Ost-Begegnungen ergriffen.
Die politische Führung hat hier doch völlig versagt. Das „Darmstädter Signal“ hat in den letzten Jahren durch Thematisierung bestimmter Fragen und Vertretung bestimmter Positionen innerhalb wie außerhalb der Bundeswehr für notwendige Herausforderungen der offiziellen Sicherheitspolitik gesorgt.
Interview: Andreas Zumach
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