: Gesamtdeutsche Soldaten proben den Dialog
BRD-Offiziere zu Besuch in Dresden und Potsdam: „Darmstädter Signal“ trifft DDR-Friedensrat / Erstmals in der Geschichte der deutschen Armeen treffen sich Militärangehörige außerhalb der Manöverbeobachtung / Hardthöhe hat bislang bilaterale Gespräche verweigert ■ Von Andreas Zumach
Berlin (taz) - Zum erstenmal in der Geschichte der beiden deutschen Armeen sind am vergangenen Wochenende außerhalb des Rahmens offizieller Manöverbeobachtungen zwischen Nato und Warschauer Vertragsorganisation (WVO) Angehörige der Bundeswehr mit Soldaten der Nationalen Volksarmee der DDR zusammengetroffen. Die sechs aktiven Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr, die am Samstag in die DDR reisten, gehören dem Arbeitskreis „Darmstädter Signal“ an. Dieser wurde zur Zeit der Debatte um die „Nachrüstung“ mit Pershing II und Cruise Missiles Anfang der achtziger Jahre gegründet und vertritt seitdem innerhalb der Bundeswehr und in der Öffentlichkeit kritische Positionen gegenüber der offiziellen Sicherheitspolitik. Heute gehören ihm knapp 200 Offiziere der Bundeswehr an. Ein vor vier Jahren gegründeter bundesweiter Förderkreis aus Exgeneralen, prominenten Journalisten, Juristen Kulturschaffenden und Politikern bemüht sich um öffentliche Unterstüzung der Arbeit des „Darmstädter Signals“.
Zum Reiseprogramm der sechs Offiziere unter Leitung des Majors Franz Josef Meyer gehören Gespräche mit NVA-Soldaten in Dresden sowie ein Besuch des Militärhistorischen Instituts der Volksarmee in Potsdam. Als Einlader auf DDR -Seite fungiert der in Berlin residierende offizielle DDR -Friedensrat.
Die politische Führung der Bundeswehr, die Bonner Hardthöhe, hat bislang bilaterale Gespräche mit der DDR stets verweigert. Seit Monaten liegt eine Gesprächseinladung von DDR-Verteidigungsminister Kessler an seinen BRD-Kollegen Scholz vor. Die Bundesregierung betont stets, daß Gespräche und Verhandlungen zwischen den beiden Bündnissen Nato und WVO Vorrang hätten.
Die sechs Bundeswehroffiziere reisen ohne Uniform und haben nach Angaben des „Darmstädter Signal„-Sprechers Major Prieß vom Kölner Heeresamt Urlaub für ihren DDR-Aufenthalt genommen. Eine Genehmigung des Bonner Verteidigungsministeriums war nicht erforderlich. Keiner der sechs Offiziere fällt in die Kategorie der Geheimnisträger. Mit ihrem Urlaubsantrag hat die Gruppe laut Prieß die Hardthöhe auch über Ziel und Zweck ihrer Reise informiert. Der Arbeitskreis „Darmstädter Signal“ hat auf ähnliche Weise bereits drei Begegnungen mit tschecheslowakischen Soldaten durchgeführt - einmal in der Bundesrepublik und zweimal in der CSSR. Während der letzten CSSR-Reise Ende 1988 konnten sie zum erstenmal auch Kasernen des WVO besichtigen. Außerdem besuchten sie gemeinsam mit ihren CSSR-Kollegen die zentrale tschechoslowakische Gedenkstätte an die Verbrechen der Nazis und der Wehrmacht in Lidice.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen