Polen am runden Tisch

■ In Warschau beginnen die Gespräche zwischen Staat und Opposition / Partei nimmt Abschied von der „Diktatur des Proletariats“ und vom „Klassenkampf“

Berlin (taz/ap/dpa) - Umbruch in Polen: Heute beginnen in Warschau die langerwarteten Verhandlungen am runden Tisch zwischen der Opposition unter Solidarnosc-Chef Walesa und der Regierung des Generals Jaruselszki. Einer Ankündigung von Regierungssprecher Urban zufolge wird der Beginn der Gespräche direkt vom polnischen Fernsehen übertragen werden.

Bei den Verhandlungen steht die Wiederzulassung der verbotenen Gewerkschaft Solidarnosc im Mittelpunkt. Darüber hinaus wird in drei Hauptkommissionen und zahlreichen Untergruppen - sie werden von Regierung und Opposition paritätisch besetzt - über eine grundlegende Wirtschaftsreform diskutiert und nicht zuletzt über gesellschaftlichen und politischen Pluralismus. Unter den 56 Teilnehmern finden sich Parteipolitiker sowie Berater von Arbeiterführer Walesa und Vertreter der offiziellen Gewerkschaften OPZZ.

Die Partei hat sich indessen bereits mit einer dreitägigen Ideologiekonferenz auf die möglichen Ergebnisse der Verhandlungen vorbereitet: Mehrere maßgebliche Parteivertreter forderten dabei, marxisitische Basisbegriffe wie den „Klassenkampf“ und die „Diktatur des Proletariats“ zu streichen. Manche von ihnen sprachen sich dabei für ein pluralistisches Modell des Sozialismus aus.

In der Vereinigten Arbeiterpartei wird jetzt bereits die Zulassung von Konkurrenzparteien erwogen. Durch diese dramatische Wende sind die extremen Kräfte auf beiden Seiten weiter in den Hintergrund gedrängt worden. Für Walesa steht die Legalisierung von Solidarnosc, des Studentenverbandes NZS und der Land-Solidarnosc im Vordergrund, während die Partei vor allem auf eine Beteiligung der Opposition an den auf den Mai datierten Parlamentswahlen hofft.

KB Tagesthema Seite 3