„SPD ist der alten Betontradition verhaftet“

■ Interview mit Gerald Kirchner, Mitglied der Bürgerinitiative gegen die Stadtautobahn, über einen von der SPD-Fraktion vorgelegten „Kompromiß“ zum Concordia-Tunnel / „Unser Ziel ist, daß alle Straßenbauprojekte gestoppt werden“

Ende der vergangenen Woche kündigte der Sprecher der Deputation für Stadtentwicklung, Karl-Heinz Schreiber (SPD), an, die SPD-Bürgerschaftfraktion habe sich auf einen Kompromiß in Sachen Ausbau des Concordiatunnels verständigt. Kompromiß heißt:

-Der Tunnel wird so breit gebaut wie vorgesehen.

-Die „Durchlaßbreite“, der Platz also für Fußgänger, Radweg, Autos und ÖPNV, soll von 32,40 auf 28,80 reduziert werden. Die vier Spuren für Autos sollen jeweils um 50 Zentimeter reduziert werden.

-Ob bei einer solchen Planung noch Bäume abgeholzt werden müssen, bleibt offen.

Die taz fragte Gerald Kirchner, einen der Sprecher der Bürgerini-tiative gegen eine Stadtautonbahn durch Schwachhausen, nach seiner Meinung zu den SPD -Fraktionsvorschlägen.

taz: Kurz vor Baubeginn des Concordiatunnels legt die SPD -Frak

tion einen Kompromißvorschlag vor. Die Fahrbahn soll 4 Meter weniger breit werden. Seid Ihr jetzt zufrieden?

Gerald Kirchner: Nein. Zu einem Kompromiß gehört, daß man nicht als eine Gruppierung in der Auseinandersetzung eigene Vorschläge macht und sie dann einseitig zum Kompromiß erklärt. Auch die Bürgerinitiative hätte zu Rate gezogen werden müssen.

Was mißfällt Euch inhaltlich?

Es ist schwierig für uns, einen Vorschlag als Kompromiß zu verstehen, der lautet: Erstens wird der Tunnel in der massiven Version gebaut, zweitens: Wenn der Tunnel gebaut wird, werden wir auch vier Fahrspuren für PKWs auf der Straße einrichten, vielleicht werden die ein wenig schmaler werden.

Aber damit ist doch einer Eurer Forderungen Genüge getan. Wie breit der Tunnel ist, daß interessiert vielleicht den Finanzsenator. Für Euch kommt es doch auf die Straße an. Und die soll schmaler

werden.

Unsere Hauptforderung geht dahin zu sagen, es ist nicht sinnvoll, die Schwachhauser Heerstraße vierspurig auszubauen. Sondern im Sinne einer ökologischen Verkehrsplanung ist es notwendig, zu überlegen, wieein Rückbau, eine Verlagerung von Individualverkehr auf Öffentlichen Nahverkehr stattfindet.

Im Klartext: Die Schwachhauser Heerstraße soll beim Tunnel nur zweispurig sein.

Wir sind der Meinung, daß der Tunnel erst einmal nicht gebaut werden soll und daß dann im Sinne des Moratoriums, das auch vom SPD-Unterbezirk-Ost neulich beschlossen wurde, zunächst einmal überlegt wird, wieweit es möglich ist, hier, nicht nur in der Schwachhauser Heerstraße, sondern in allen großen Straßenzügen, mit weniger Verkehrsspuren auszukommen. Unsere Forerung ist nicht alleine stadtteilborniert, sondern unsere Forderung ist, daß die gesamte Verkehrsent wicklung ungekehrt werden muß. Und da hat die Schwachhauser Heerstraße, und damit auch der Concordia-Tunnel, als Haupteinfallstraßen eine zentrale Funktion.

Folgt man der Argumentation der Stadt, dann würde ein Moratorium aber bedeuten, daß demnächst die Intercity-Züge herunterfallen, weil die Gleise völlig kaputt sind.

Es geht doch gar nicht um alle Gleise. Es geht nur um ein Drittel, also um zwei Gleise. Die sind nach Aussagen der Bundesbahn sanierungsbedürftig. Alle anderen vier Gleise nicht. Die Stadt Bremen hält da den Schlüssel in der Hand, und es gibt Lösungen, die hat die Bundesbahn selbst mal vorgeschlagen, die eine Sanierung bedeuten, ohne gleichzeitig eine Verbreiterung vorzunehmen. Der Kompromiß, der verkauft werden soll, heißt doch: Wenn der Tunnel ausgebaut wird, in der jetzt geplanten Größe, dann wird auch die Straße ausgebaut.

Dann sind sämtliche Gegenentwicklungen für ökologische Stadtentwicklung im wahrsten Sinne des Wortes verbaut.

Im Bremer Osten und Wesen sind die Straßenbaupläne doch noch gigantischer als in Schwachhausen. Haben die Schwachhauser nicht mit viel Lobby und Wissen um die Organisation von Öffentlichkeitsarbeit den Tunnel zu einem Symbol gemacht, das er wirklich nicht ist?

Die Verkehrsprobleme in den weiter außen gelegenen Stadtteilen sind sicherlich viel schlimmer als bei uns. Deshalb können wir auch nicht verstehen, daß ein Großteil des Geldes, das in Bremen für Baumaßnahmen zur Verfügung steht, in eine solche Maßnahme wie diesen Tunnel und in die Straßenverbreiterung gesteckt wir, statt Entlastung bringende Maßnahmen in den viel schlimmer betroffenen Stadtteilen zu finanzieren.

Der zweite Punkt: Natürlich wird dieser Tunnel immmer stark

mit Schwachhausen und allem was bei diesem Stadtteil so mitschwingt, verknüpft. Das kann ja keine Lösung sein, die Schwachhauser Heerstraße kleiner zu machen und den Verkehr in die benachbarten Hauptstraßen zu leiten. Dehalb haben wir ganz bewußt immer gesagt, unser Ziel geht dahin, daß alle Projekte gestoppt werden und die Stadt dem Flickwerkteppich eine wirklich unter ökologischen Gesichtspunkten geschlossene Planung entgegenstellt.

Der Kompromiß der SPD-Fraktion ist für Euch kein Anlaß, das was an weiteren Protestaktionen geplant ist, zu stoppen?

Weil es kein Kompromiß ist, kann es für uns keine Basis sein. Wir sind bereit auf Kompromisse einzugehen. Aber das Vorgelegte ist mehr eine Aussage, inwieweit die SPD-Fraktion als Ganzes noch ihrer alten Ideologie VerkehrStraßenbau in ganz alter Betontradition verhaftet ist.

Interview: Holger Bruns-Kösters