Uni-Streik ohne Streikende

■ Ferien-Nähe sorgt für Streikmüdigkeit / Studentische Hauptforderungen immer noch ungeklärt: Professoren lehnen paritätische Kommissionen ab, Bafög-Verlängerungen unwahrscheinlich / Streikrat im Krach mit dem Asta

Viel zu tun hat Lebensmittelhänd ler Walter nicht mehr. Seit die StudentInnen in der letzten Woche Bildungssenator Franke zum großen Streit über ihre Forderungen in die Universität gebeten haben, sind die Umsätze in dem kleinen Supermarkt auf dem Boulevard zwischen GW 2 und Mensa drastisch spürbar zurückgegangen. Lebensmittelhändler Walter weiß auch, warum: „Die Studenten bleiben arbeiten jetzt zu Hause nach, was sie während des Streiks versäumt haben. Es ist ja nur noch eine Woche bis zu den Semesterferien. Da lohnt es sich für die

meisten sowieso nicht mehr, in die Uni zu kommen.“

Offiziell wird an der Uni noch immer aktiv gestreikt, die Besetzung des MZH ist nur „ausgesetzt“, das GW 2 wird nach wie vor „weich“ boykottiert. Wer gestern in die Uni kam, hatte in der Regel gleichwohl andere Sorgen als über erfüllte und unerfüllte Streikforderungen zu diskutieren. Vom nach wie vor täglich tagenden Streikrat augenzwinkernd toleriert, bereiten sich einzelne Arbeitsgruppen - trotz Boykott des Lehrbetriebs - auf Klausuren vor, die sie für die An

erkennung des letzten Semesters dringend brauchen und die möglichst in den Semesterferien nachgeholt werden sollen. Andere haben es da besser. Sie holen ihre Scheine so ab, die viele HochschullehrerInnen großzügig ausgeben, obwohl in den letzten Wochen keine Referate gehalten und keine Klausuren geschrieben werden konnten. Andere tun klammheimlich so, als sei das Ende des Streiks schon offiziell beschlossen. Sie studieren wieder oder versuchen es zumindest wie die StudentInnen des Informatik-Professors Klaus Häfner, der seine beiden gestrigen Seminare allerdings zugunsten von Pink-Floyd absagen mußte: Ein Trupp von StreikaktivistInnen überzeugte die studierwilligen Häfner-Jünger davon, daß Rock mehr Bock macht als ihr „Prof“ und vor allem lauter kann.

Wenn es nach dem Streikrat geht, bleibt das auch so, bis alle Streikforderungen verbindlich akzeptiert sind. Seitdem die Mehrheit der streikenden StudentInnen sich in die Semesterferien verabschiedet hat, deuten die Zeichen allerdings eher in eine umgekehrte Richtung. So hatten Sprecher der einzelnen Fachbereiche in der letzten Woche zwar noch schriftlich erklärt, sich für die „Einsetzung drittel-bzw. viertelparitätischer Kommissionen für Studium und Lehre“ einsetzen zu wollen. Ob sie tatsächlich zustandekommen und vor allem, wie verbindlich ihre Empfehlungen sind, ist inzwischen fraglich. In vielen Bereichen haben Professoren erklärt, sie sähen überhaupt keinen Grund, ihre Mehrheiten zugunsten studentischer Mitbestimmung aufzugeben.

Schwierigkeiten zeichnen sich

auch angesichts der von Uni-Rektor Timm in Aussicht gestellten Verlängerung von Bafög-Ansprüchen ab. StudentInnen, die den Rektor in den letzten Tagen beim Wort nehmen wollten, wurden an die Uni-Rechtsstelle verwiesen. Mehr als Hoffnung auf eine Bescheingung über „die Unmöglichkeit eines ordnungsgemäßen Studiums im laufenden Semester“ konnte man ihnen dort aber aucch nicht machen. Ob sich daraus aber der Anspruch auf ein zusätzliches Bafög -Semester ableiten läßt, entscheidet allein das Bafög-Amt, das wiederum von einer Entscheidung von Bildungssenator Franke abhängig ist.

Eine Woche vor Semsterende ist noch immer weitgehend offen, was aus der Vielzahl von Forderungen geworden ist, die die StudentInnen in den letzten Wochen aufgestellt haben. Klar ist dem

Streikrat dagegen schon jetzt, wer die Hauptschuld trägt, wenn am kommenden Donnerstag in der letzten Vollversammlung trotzdem das Ende des Streiks beschlossen werden sollte: der Asta, der statt ausreichend Kohle für die Streikorganisation zur Verfügung zu stellen lieber „Abwieglungsflugblätter“ drucken ließ. Irgendjemand aus dem bunt-kämpferisch -radikalen Häuflein, das seine Streik-Nächte immer noch in der Universität zubringt, hat es der gewählten Studenten -Vertretung auch schon an die Fensterscheiben gesprüht: „Streikverräter.“

Allerdings: Auch die „angeblichen“ Streikverräter sind inzwischen anscheinend in Urlaub gefahren. Gestern saß nur eine einzige Frau im Asta-Büro. Sie hatte in der Tat „Bock, mal wieder zu studieren.“

K.S.