Zipfelmützigkeit ist passe

Kleingärtner-Chef Jürgen Hurt für rot-grüne Koalition / Laubenpieper wählten die CDU ab / Der Gärtnerverband lehnte Gespräche mit den „Republikanern“ ab  ■ I N T E R V I E W

Jürgen Hurt vertritt als Vorsitzender des Landesverbandes der Gartenfreunde 48.000 Berliner Laubenpieper. Den Flächennutzungsplan (FNP) des CDU/FDP-Senats hatten die Gärtner heftig bekämpft. Die taz befragte SPD-Mitglied Hurt zum Wahlausgang.

taz: Was sagen die Kleingärtner zum Wahlausgang?

Jürgen Hurt: Wir haben dieses Wahlergebnis angestrebt. Wir wollten, daß Politiker ins Abgeordnetenhaus einziehen, die mit uns gemeinsam über einen neuen FNP nachdenken. Das war unser Nahziel.

Sie meinen also, daß die Kleingärtner bewußt diesem Senat am 29. Januar eine Quittung erteilt haben.

Ja, das wird ganz deutlich. In den Bereichen, in denen bedrohte Gartengebiete waren, haben CDU-Abgeordnete ihre Direktmandate nicht mehr gewinnen können. Zum Beispiel in Charlottenburg-Nord. Dort hat ein Christdemokrat, Siegfried Helias, seinen Wahlkreis an einen Sozialdemokraten verloren, für Charlottenburger Verhältnisse eine außergewöhnliche Geschichte.

Haben die Kleingärtner sich der Stimme enthalten oder haben sie die Opposition gewählt?

Ich bin mir sicher, daß sie die Opposition gewählt haben. Gerade in Charlottenburg haben die Gärtner immer gesagt: Eine Wahlenthaltung hilft nichts. Was uns natürlich erschüttert hat, das ist das Abschneiden der rechten Kräfte. Wir werden als Organisation sehr deutlich solche Tendenzen bekämpfen. Vor den Wahlen sind wir ja von den „Republikanern“ angesprochen worden. Die wollten sich über unsere Probleme unterhalten. Das haben wir rundweg abgelehnt. Wir reden mit solchen Leuten nicht, wir haben unsere Partner woanders.

Sie persönlich haben zur Wahl der SPD aufgerufen. Warten die Kleingärtner auf eine rot-grüne Koalition?

Das kann ich nur für mich persönlich sagen. Ich denke, man muß jetzt dieses Wahlergebnis umsetzen. Es steht doch eindeutig fest, daß die Stimmabgabe auf ein rot-grünes Bündnis hingezeigt hat.

Die Kleingärtner wollen eine Revision des Flächennutzungsplans, und das streben nur SPD und AL an.

Ja, das ist gar keine Frage, daß wir da mehr auf dieser Seite stehen. Ich habe ja auch den Leuten gesagt: Als Verbandsvorsitzender kann ich euch keine Wahlempfehlung geben. Aber ihr müßt wissen, wer euch in diesen letzten vier Jahren und auch darüber hinaus eine verständliche und akzeptierbare Politik vorgelegt hat und wer das nicht getan hat.

Kleingärtner gelten als ordnungsliebende Menschen. Haben sie keine Angst vor dem rot-grünen Chaos?

Also das ist eine Annahme, die wirklich seit vielen Jahren schon nicht mehr stimmt, diese Zipfelmützigkeit des Kleingärtners, der nicht links und nicht rechts schaut. Die Generation, die dieses Prädikat verdient hätte, ist einfach ausgestorben. Und im Laufe der Jahre haben wir ja auch Leute aus der AL kennengelernt. Es gab am Anfang auf beiden Seiten Berührungsängste. Die haben wir verloren, und es hat ja auch sehr starke Solidarisierungseffekte gegeben bei diesem gemeinsamen Kämpfen gegen den FNP.

Ist denn der Landesverband der Gartenfreunde seit den Wahlen mit Forderungen an die Parteien herangetreten?

Wir schreiben einen Brief an die AL und die SPD und erinnern sie noch einmal an die gemeinsame Linie. Ich habe gleich nach der Wahl praktisch mit allen Spitzenpolitikern gesprochen aus den beiden Parteien, und natürlich haben wir gratuliert, das ist ja klar. Aber was SPD und AL jetzt machen mit dem FNP, das muß man sehr genau beobachten.

Interview: hmt