Berlin-Wahlen

Berlin-Wahlen (...) Hier im „wahren Deutschland“ zentralisieren sich die Probleme, und Berlin ist das Brennglas. „East is evil, west is paradise“, nach diesem Motto wurde nach dem Krieg die Propaganda forciert, und jetzt, wo der Kulminationspunkt der Einreisewilligen immer näher rückt, kriegen die Arbeiter die Rechnung präsentiert, und die fackeln nicht lange, links Beschiß, rechts Beschiß, und wenn der Prolet seine Abzüge sieht, kommt er ins Philosophieren und wird dabei so in Rage versetzt, daß ein kleines schüchternes „Heil“ in seinem konditionierten Hirn herumspuckt, und wenn die in Berlin den Fehler machen, die ganze Scheiße dadurch zu beschleunigen, indem sie polarisieren, links an der Macht, rechts schaut zu - dann seh‘ ich schwarz, denn die Probleme sind in diesem Jahrhundert einfach nicht zu lösen, und wie einfach für die Braunen, können sie doch zeigen, daß Linke unfähig sind, und um diese Polarisierung zu verhindern, bin ich für eine große Koalition. Das löst zwar kein Problem, aber wir gewinnen Zeit, und selbst das Handycap, einer Gauweiler-Renaissance sollte uns nicht schrecken, denn lieber ein wenig Ellenbogendynamik als Schönhuber auf dem Vor-MARSCH. (...)

Nied Gerald, Köln 91

(...) Berlin wird wohl den Anfang machen und diese Saat über die gesamte BRD ausbreiten. Es ist alarmierend, daß diese Partei sich „gefestigt“ hat. Auch alarmierend, daß die Stahlhelmfraktion immer noch nicht glauben will, daß es eine neue Unterwanderung auf dem rechten Flügel gibt. Diese Unterwanderung ist schon lange manifest. Die Parteien von SPD und AL sind jetzt gefragt. Koalition mit der AL heißt hier die einzig richtige Antwort, oder aber der Berliner CDU -Sumpf wird größer, da ja ohne weiteres mit der SPD weiter gepfuscht werden kann - im Rahmen der großen Vereinigung.

Gefragt sind auch die Autonomen und die Links-Parteien. Mit dem Slogan „Ausländer raus“, wie es die rechten Braunen fordern, kann keine Politik gemacht werden. Es ist hier nur eine Frage der Zeit, wann die 38er-Enkelkinder wieder rekrutiert werden können...

Thomas Kraemer, Bochum

Großes Lob für den Kommentar „Der rechte Mob“ (taz vom 31.1.89). Er trifft die Sache haargenau. Aber: findet Ihr es richtig, die Berliner Antifaschisten der Wahlhilfe für die NSDAP, pardon, die REP zu bezichtigen („Eine Stadt demaskiert sich“)? Haltet Ihr das Hinnehmen und Vorübergehen für ein gutes Mittel gegen einen neuen, legalen Neofaschismus? (...)

Eine Lösung sehe ich nur in einem Verbot der Neo-Nazi -Parteien, so daß sie zu keinen Wahlen mehr zugelassen werden. Wenn keine rechtsradikalen Parteien - auf dem Wahlzettel und auch überhaupt - existieren, kann sie auch keiner wählen und zu einer Macht im Lande führen.(...)

Philip, Frankfurt 71

betr.: „Wählerdiktat“, Kommentar von Klaus Hartung,

taz vom 31.1.89

Über die genauen und geistesgegenwärtigen Kommentare von K.H. zur Wahl kann man froh sein. Nur verstehe ich nicht, wie er von der Chance zu „großer Politik“ schwärmen kann, die jetzt gegeben sei. Alle guten Geister mögen uns vor „großer Politik“, egal ob von rechts oder links, bewahren.

N.Haas, Wilmersdorf

Dieses Ergebnis ist eigentlich gar nicht so „heimtückisch“. Wirkliches Kopfzerbrechen hätte es wohl bei folgendem Ergebnis gegeben:

AL 11,8 %, SPD 37 %, CDU 37 %, REP 7,5 % und FDP 5,1 %.

Wenn die FDP über fünf Prozent gekommen wäre, hätten dann CDU, FDP und REP ihre Mehrheit in Macht umgesetzt? Die ersten Hochrechnungen ließen eine solche Möglichkeit noch zu, und deshalb stand die FDP lieber ganz still in der Ecke. Und Diepgen kam erst so um 19 Uhr auf die Bühne, als sich die Hochrechnungen konkretisierten. Jetzt wurde er nur noch als Verlierer gefeiert. Niemand dachte mehr an die Frage nach einer CDU-, FDP- und REP-Koalition.

Diese Frage wäre für FDP und CDU sehr blamabel gewesen, denn um an der Macht zu bleiben, hätte die FDP auch noch ihre letzte Fahne der Liberalität einholen müssen, und die CDU hätte dann wohl ihr wahres Lummergesicht zeigen müssen. Diese „Was wäre wenn die FDP über fünf Prozent kommt„-Frage wurde leider von niemandem öffentlich gestellt. (...)

N.Bommersheim, Königstein 3

Vielleicht ein Vorschlag zur Sprachregelung, heute von mir einem unfreiwillig belauschten, auf dem Treppenabsatz geführten Gespräch zweier älterer Nachbarinnen entnommen: „...also ich weiß nich‘ - und dann diese Neuen im Parlament

-diese Afrikaner - oder so - was wollen die eigentlich?“

Johann Christoph

Die „Bonner Runde“ gab tiefen Einblick in Kohls Gedankenwelt. (...) Während für alle anderen Parteien der Aufstieg der DFU Anlaß zur Sorge war, mußte man erleben wir beachten leider oft nicht den Hintergrund Kohlscher Rhetorik -, wie er versuchte, Verständnis für die Wählerschichten zu erzielen und vor allem zu erkennen glaubte, was unser Volk von ihm erwartet. Mehr innere Sicherheit, weniger Wirtschaftsflüchtlinge, mehr Ordnung. Aha, wohl mehr Polizeistaat gefällig? (...)

40 Jahre nach dem Holocaust mußte ich feststellen, daß es dringender denn je ist, unsere Vergangenheit aufzuarbeiten, weil wir bis heute nicht gelernt haben zu begreifen, daß der alliierte Zwang zur Demokratie leider bei einigen nicht ausreichte, um nicht erneut Faschismus und Polizeistaat das Wort zu reden. (...)

G.W.

Es gibt kein Naturgesetz, wonach alle 60 Jahre ein neuer Faschismus in Deutschland entstehen muß. Allerdings: Wo PolitikerInnen versagen, wo BürgerInnen täglich hautnah erfahren: das GG ist eine schöne Theorie, aber die Praxis sieht anders aus, wo Widerstand gegen lebensbedrohende und/oder Demokratie bedrohende Kräfte polizeilich und gerichtlich niedergehalten wird, wo Perspektivlosigkeit und berechtigtes Mißtrauen in „die Politik“ herrscht, da eigentlich nur da - versuchen andere, eine andere Politik zu machen. Unlogisch ist das nicht. Die (am Wahlabend - sonst kaum) so „betroffenen“ Politiker verantworten das Erstarken rechtsextremistischer Kräfte. Diesmal dürfen sie sich nicht mehr herausreden: „Die BürgerInnen haben gesprochen.“ Wenn die - von den PolitikerInnen allein gelassenen - BürgerInnen aus eigener Kraft diese neuen/alten „Heilsbringer“ abwehren sollen, wird es weniger Erfolge, aber mehr Opfer geben. Ein großer Teil der Bevölkerung arbeitet „nur im Geiste“ mit gegen den Neofaschismus, weil an zu vielen Beispielen deutlich wurde: im Widerstand hat man/frau mit zwei Gegnern zu tun, die Schlägertrupps und die Staatsgewalt. (...)

Irmgard A.