Bonner SPD-Zentrale bremst rot-grün

In der Bonner SPD-Zentrale will man keine Berliner Koalitionsbildung vor den hessischen Kommunalwahlen am 12.März / Rot-grün auf Landesebene zu heikel für SPD / SPD/CDU-Koalition doch das kleinere Übel?  ■  Aus Bonn Gerd Nowakowski

Am 2.März soll sich nach dem parlamentarischen Fahrplan das neugewählte Berliner Abgeordnetenhaus konstituieren. Bis dahin steht die Koalition mit der AL, tönten bereits Berliner Spitzengenossen. Bürgermeisterkandidat Walter Momper bleibt mit seiner Zeitangabe unverbindlicher: „Unverzüglich, so schnell wie möglich.“ Denn: wann mit einem Partner zur Koalition geschritten wird, wird auch in Bonn mitentschieden.

In der Bonner SPD-Parteizentrale verfolgte man zwar schon in der Wahlnacht mit deutlichem Interesse die Stellungnahmen der AL-Politiker, doch der Horizont der Wahlstrategen ist weiter gesteckt. Für sie gilt vor allem: eine Ehe mit der AL darf in keinem Fall vor den hessischen Kommunalwahlen am 12. März zustande kommen. Denn insbesondere in Frankfurt wird ebenfalls der Machtwechsel anvisiert; der ehemalige Bundesminister Volker Hauff hat dabei eine rot-grüne Koalition mit der Mannschaft von Joschka Fischer fest auf dem Programm. Kommt es zu einer Berliner Koalition mit der AL vor dem Wahltag in Hessen, befürchtet man negative Auswirkungen auf das hessische Wahlergebnis.

Für den Parteivorsitzenden Hans-Jochen Vogel ist nicht einmal ausgemacht, ob in Berlin nicht doch die CDU der ideale Partner ist. Diese Überlegung, so ist aus der Bonner Parteizentrale zu erfahren, gilt insbesondere im Hinblick auf die anstehenden sechs Landtags- und Kommunalwahlen und die Bundestagswahl im Nobember 1990. Der bundesweite Aufschwung der SPD könnte Schaden erleiden, wenn die CDU und die rechte Presse jede abseitige Äußerung eines Grünen zur Glaubwürdigkeitsfrage der SPD hochstilisiert. Rot-grün auf kommunaler Ebene wie in Hessen sei unproblematisch; auf Landesebene aber läge darin zuviel Sprengstoff. Ist die CDU in Berlin eingebunden, seien den Parteistrategen im Bonner Konrad-Adenauer-Haus dagegen die Hände für eine Schmutzkampagne gebunden, überlegen die SPD-Denker. Sichergestellt wäre außerdem, daß die Subventionsmillionen weiter fließen und die SPD nicht am ausgestreckten Bonner Arm verhungert. Befürchtet wird, ein Investitionsstreik der Unternehmer und weiterer Arbeitsplatzabbau könnten zu den Bundestagswahlen als Beleg für die sozialdemokratische Unfähigkeit benutzt werden, die Wirtschaft in Schwung zu halten.

Die in der vergangenen Woche aus Berlin angereisten SPD -Unterhändler waren denn auch eher unzufrieden mit ihren Gesprächen. Vogel ließ sich von der rot-grünen Euphorie unter den Berliner Sozialdemokraten nicht anstecken. Er hat den Genossen auf den Weg gegeben, mit der CDU weiterzuverhandeln, selbst wenn Walter Momper keine Alternative mehr zu den Alternativen sieht. Die AL, die heute zum zweiten Gespräch mit den Sozialdemokaten zusammentrifft, darf sich entsprechend der Vogelschen Direktive auf detaillierte, kleinteilige Gespräche einrichten.