Mehr Fernsehprogramme Weniger Moral?

■ Akademietagung in Rastede über die Grenzen der Pressefreiheit

Je mehr Fernsehprogramme, desto weniger Moral.“ Diese Meinung vertrat der Chefredakteur von Radio Bremen, Ulrich Kienzle, in Rastede. Bei einer gemeinsamen Tagung der evangelischen Akademie Oldenburg und der Oldenburger 'Nordwestzeitung‘ am Wochenende (3. und 4.Februar) ging es um die Frage nach den Grenzen der Pressefreiheit. Vor einer kleinen Schar von Journalisten, Juristen, Theologen und Polizeibeamten äußerte sich Kienzle zu der vor allem an der Fernsehberichterstattung geübten Kritik im Falle des Gladbecker Geiseldramas.

„Darf Verbrechen live im Fernsehen gesendet werden?“ Kienzle hatte da wenig Bedenken. Er sprach vom Jagdfieber der Journalisten und wies auf die Konkurrenzsituation auf dem Medienmarkt hin. „Was immer wir an Informationen kriegen“, so die Meinung des Chefredakteurs, „das müssen wir senden.“ Die Frage sei allerdings, und damit habe sich der Sender im Anschluß an diese „ungewöhnliche Situation“ selbstkritisch beschäftigt, wie man eine solche Information und Dokumentation kommentiere.

Natürlich gebe es Gesetze und ethische Normen, die die Pressefreiheit sowie die Art der Berichterstattung einschränken. Aber das „schwache Verhalten“ der Polizei habe die Journalisten provoziert. Die Situation in Köln und Gladbeck verurteilte Kienzle und mußte sich dafür von seinen Zuhörern den Vorwurf allzu leichtfertigen Urteils gefallen lassen: Warum sollte Fernsehteams in Bremen möglich sein, woran man Journalisten in Köln hätte hindern müssen?

Die Pflichten und Risiken einer wahrheitsgetreuen Berichterstattung „vor Ort“ schilderte Manfred Protze, Regionalkorrespondent der 'dpa‘ für das Weser-Ems-Gebiet und Vorsitzender des Beschwerdeausschusses des deutschen Presserates. Das Beispiel seiner eigenen Entscheidung, unter Abwägung möglicher Risiken, den Bus mit den Gladbecker Geiselnehmern auf der Autobahn zu verfolgen, war für die Tagungsteilnehmer Anlaß zu eingehender Debatte.

Grundsätzliche Überlegungen zu dem, was ein „guter“ Journalist können müßte, was er tun oder nicht tun sollte, stellte sich Hermann Boventer (Universität Bonn) an. Ihm ging es in seinem Referat vor allem darum, Fragen der ethischen Verantwortung des Journalisten zu untersuchen. Antworten in der Form eindeutig formulierter „Zehn Gebote“ konnte er auf dieses, wie er betonte, „offene Thema“ nicht bieten. Er forderte vielmehr handwerkliche Kompetenz, moralische Qualität und ein ethisches, die Folgen mitbedenkendes Handeln unter Achtung der Menschenwürde, alles in allem also eine Art „hippokratischen Eid“ für Journalisten.

epd