Auf der Suche nach den geeigneten Partnern

Der hessische Kommunalwahlkampf schleppt sich in den Endspurt / Christlich-liberale Landesregierung auf dem Prüfstand / Realpolitisch orientierte Grüne setzen in Frankfurt auf ein rot-grünes Bündnis / Potentielle Partnerin SPD noch auf Distanz / Fällt die schwarze Festung Frankfurt?  ■  Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Damit in der Bestechungsskandalmetropole Frankfurt wieder „ehrlich gespielt“ werden kann, sollen die WählerInnen bei den hessischen Kommunalwahlen am 12.März für den schwäbischen SPD-Kandidaten Volker Hauff als Oberbürgermeister votieren. Doch der auf den Wahlplakaten immer gen Himmel blickende Hauff, den seine Wahlkampfmannschaft unter der Führung des 'Pflasterstrand' -Vorschmeckers Till Schulz in jahrelanger Arbeit auf metropolentauglich getrimmt hat, wird nur dann der OB aller FrankfurterInnen werden können, wenn er einen Juniorpartner findet. Und da bieten sich die konsequent realpolitisch ausgerichteten Grünen in Frankfurt geradezu aufopfernd an. Das von den Radikalökologen als „ausgelutscht“ apostrophierte rot-grüne Bündnis soll - nach seinem Scheitern auf Landesebene - in Frankfurt ein Revival erfahren. Und als geistiger Vater dieses „Auslaufmodells“ (Thomas Ebermann) gilt der 'Pflasterstrand'-Editor Daniel „Dany“ Cohn-Bendit, der auf Platz 4 der grünen Liste für einen Sitz im Stadtparlament kandidiert.

Doch die von Cohn-Bendit und den anderen Realpolitikern der Grünen auserwählte Partnerin SPD ziert sich noch. Hauffs Problem ist kongruent mit dem des (noch) verhinderten Berliner Wahlsiegers Momper: Mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen und die Bundestagswahl 1991 möchte die Bonner Führungsspitze der Sozialdemokratie das rot-grüne Koalitionsmodell als Denkmodell aus den Köpfen der WählerInnen und der Mitglieder der Partei verbannen. Nicht erst seit Hamburg liebäugelt die SPD bundesweit wieder mit den Freien Demokraten. Doch das spezifische Problem der SPD mit der Frankfurter FDP ist die Schwäche der Gelben, die in die Mainmetropole seit den letzten Kommunalwahlen die „APO“ stellen. Selbst wenn die Frankfurter FDP die Fünf-Prozent -Hürde überspringen sollte, wird es nicht reichen für Rot -Gelb am Main.

Die Demoskopen

haben das Wort

Der von den Grünen mutig prognostizierte Zeugungsakt für den rot-grünen Wechselbalg wird also erst nach den Wahlen am 12.März stattfinden, falls nicht unvorhersehbare Ereignisse die Prognosen der Demoskopen von der Forschungsgruppe Wahlen über den Haufen werfen sollten. Für die Partei des von Bestechungsskandalen schwer angeschlagenen Oberbürgermeisters Wolfram Brück prognostizierten die Wahlforscher niederschmetternde 39 Prozent. Der FDP werden zwischen fünf und sechs Prozent der Stimmen zugeschanzt, und Rot-Grün werde am 12.März mit insgesamt 55 Prozent der Stimmen auf der Siegerstraße sein (42 Prozent für die SPD 13 Prozent für die Grünen). Doch der Ausgang der Abgeordnetenhauswahlen in Berlin hat gezeigt, daß knapp daneben getippt auch vorbei sein kann, bei der Wahlvorhersage.

Um ihr Wählerpotential voll ausschöpfen zu können, gehen die koalitionsbereiten Grünen deshalb zur Zeit mit dem Gespenst von der gelb-schwarz-roten Koalition hausieren. Dabei hält selbst Spitzenkandidat Cohn-Bendit die Sachprobleme, die einer möglichen Koalition seiner Partei mit der SPD entgegenstehen könnten, „allesamt für verhandelbar“. Ohnehin habe die SPD beim einzigen, „wirklich haarigen Konfliktpunkt Olympiastadt Frankfurt“ noch nicht eindeutig Farbe bekannt. Die Grünen sind gegen das noch von Wallmann entworfene „Olympia-Szenario“ für die Stadt, denn allein die Werbekampagnen würden rund 60 Millionen Mark aus dem Stadtsäckel verschlingen, die dringend in die soziale Infrastruktur der Kommune investiert werden sollten. Auch im Bereich Verkehr und Stadtentwicklung wollen die Grünen unter den Prämissen „sozial, ökologisch und gewaltfrei“ neue Akzente setzen. Cohn-Bendit: „Die SPD muß sich genau überlegen, mit welchem Partner sie ihre in ähnliche Richtung gehenden Vorstellungen nach den Wahlen umsetzen will. Die CDU ist da sicher ein ungeeigneter Partner.“

Wendepolitik im Abseits?

Noch härter als sein Nochfolger auf dem OB-Sessel wurde der amtierende Ministerpräsident Walter Wallmann von den Prognosen der Demoskopen gebeutelt. Ihnen zufolge hat die rechtskonservative Politik der CDU/FDP-Landesregierung WählerInnen hessenweit so verschreckt, daß angeblich nur noch 36 Prozent (Forschungsgruppe Wahlen in Mannheim) am 12.März ihre Stimmen der CDU geben wollen. Auch die FDP wird von den Auguren in Mannheim derzeit nur noch mit sieben Prozent „gehandelt“. Das sich abzeichnende Debakel für die Regierungskoalition hat dazu geführt, daß Wallmann die Studie der Forschungsgruppe Wahlen zunächst verschämt in einem Panzerschrank der Staatskanzlei bunkern wollte. Doch die FDP, die ihre Anhängerschaft mit der Schreckensbotschaft „knapp über fünf Prozent“ mobilisieren wollte, machte dem Ministerpräsidenten einen Strich durch die Rechnung und sorgte für die Veröffentlichung.

Sollten sich die Demoskopen auch hessenweit nicht irren, steht dem CDU-Chef Wallmann und seinem Adlatus Gerhard (FDP) ein politischer Schuß vor den Bug des schwarz-gelben Koalitionsschiffes bevor, der das ganze Boot zum Kentern bringen könnte. Denn die Wendepolitik - vor allem im sozialpolitischen, aber auch im umweltpolitischen Bereich könnte schlicht als „gescheitert“ bezeichnet werden, falls sich die prognostizierten 43 Prozent für die Regierungskoalition als realistisch erweisen sollten. Denn nicht zuletzt durch die Eiertänze von Umweltminister Weimar in Sachen Biblis, den schulpolitischen Dauerfehden des Kultusministers vor den Gerichten und dem Vortanzen des Ministerpräsidenten auf dem Bonner Parkett der Gesundheits und Steuerreform - in Verbindung mit der Kappung aller Reformprojekte aus der rot-grünen Ära - hat sich die hessische Regierungskoalition bei den jahrzehntelang sozialdemokratisch-liberal orientierten Hessen ins Abseits manövriert.

Die Grünen

wollen Krallen zeigen

Die Grünen arbeiten indes fleißig an ihrem Image: Mit einem Tigerplakat will die Partei wieder Krallen zeigen, nachdem sich - nach dem Machtverlust 1987 - die Langeweile in den grünen Kreisgeschäftsstellen breit gemacht hatte. Doch selbst der Tiger auf dem Plakat des Landesvorstandes erregte eine Minderheit noch über die Maßen; für die Kritiker aus den Reihen der Tier- und Friedensfreunde, die schon im Landtagswahlkampf '87 den „Mißbrauch eines lebendigen Löwen“ angeprangert hatten, wäre das zarte Täubchen ein angemesseneres Symbol grüner Geisteshaltung gewesen.

Wie auch immer bei den Grünen: Der sozialdemokratische Regierungspartner von gestern wird dort, wo die SPD bei den Kommunalwahlen '85 absolute Mehrheiten einsacken konnte, wieder heftig attackiert - auch von den RealpolitikerInnen, die nach den Hessenwahlen erneut rot-grüne Bündnisse in den Kommunen und Landkreisen schmieden wollen. Die SPD selbst steckt noch immer in einer tiefen Identitätskrise, die vor allem die Landtagsfraktion der Partei lähmt. Dennoch werden auch die Sozialdemokraten von der nahezu alle Lebensbereiche der BürgerInnen tangierenden repressiven Politik der Wallmann- und letztendlich auch der Kohl-Administration wahlarithmetisch profitieren, so daß es in den Großstädten des Landes (mit Ausnahme von Frankfurt) wohl kaum zu Machtverschiebungen kommen wird. Die Städte sind, abgesehen von der „Dyba-Provinzmetropole“ Fulda, ohnehin schon in sozialdemokratischer Hand oder werden rot-grün regiert (Marburg und Wiesbaden).