Machtpoker, Harmonie und Freundschaft mit Helmut

Der kenianische Präsident Daniel arap Moi auf Staatsbesuch in Bonn / Nach zehnjähriger Präsidentschaft ist Moi der mächtigste Mann in Kenia  ■ P O R T R A I T

Von Petra Friesen

Nairobi (taz) - Helmut Kohl und Daniel arap Moi verstehen sich prächtig: Nicht nur von der Statur her, auch in ihrer Liebe zum Vaterland, der stoischen Ignoranz gegenüber jedweder Kritik und in der Landesväterlichkeit sind sie verwandte Seelen.

Daß Moi dem Freunde nun einen Rückbesuch abstattet - Kohl war im November 1987 in Kenia - wertet seinen Rang als Staatsmann auf und fördert die engen wirtschaftlichen Verbindungen. Beides hat Kenia nötig, denn in den letzten Jahren wurde sein Image als wirtschaftliches und demokratisches Musterländle des schwarzen Kontinents angekratzt: durch die Verschuldung einerseits, durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen und brutale Repression gegenüber der Opposition andererseits.

Moi scheint von all dem unberührt und sitzt fester im Sattel denn je. Im Oktober hat er mit großem Aufwand seine zehnjährige Präsidentschaft feiern lassen. Nyayo ist das Schlagwort für die Ära Moi. Nyayo heißt wörtlich Fußstapfen, und gemeint war, als Moi 1978 Nachfolger des ersten kenianischen Präsidenten Jomo Kenyatta wurde, daß er dem großen alten Mann der kenianischen Unabhängigkeit treu folgen würde. Doch seitdem ist der 64jährige ehemalige Lehrer immer mehr aus den Fußstapfen Kenyattas herausgetreten und hat zielstrebig daran gearbeitet, sich selbst ein Denkmal zu setzen.

Als Populist wie aus dem Bilderbuch zieht er die unterschiedlichsten Register cleverer Machtpolitik, die dem Land an der Oberfläche Stabilität beschert haben. Keine Nachrichtensendung im Rundfunk und Fernsehen, die nicht mit einem Bericht über die Begegnung von „His Excellency“ mit den Wananchi, den Bürgern, beginnt. Er pflanzt Bäume, weilt auf Hochzeiten, weiht Getreidesilos ein, eröffnet Schulen, erkundigt sich an Bushaltestellen nach der Wartezeit und schickt neue Busse ins Nairobier Verkehrsgetümmel. Hinter dem Personenkult bleiben die Inhalte seiner Politik äußerst nebulös. Er selbst pflegt sie stets nur mit Abstraktionen wie „Liebe, Frieden und Einheit“ zu umschreiben. Die Berufung auf die nationale Einheit ist jedoch der Kitt, der seine Politik aus Repression und Schein -Demokratie zusammenhält.

„Einheit“ war zunächst im Parlament und der KANU, der einzigen Partei des Landes, angesagt. Moi erwies sich als Meister darin, persönliche Gefolgschaft aufzubauen und politische Gegner gegeneinander auszuspielen. Damit gelang es ihm, der keinem der großen Stämme angehört, die mächtigen Vertreter der Kikuyu, des größten Stammes, dem auch Kenyatta angehörte, kaltzustellen oder für sich einzuspannen.

Ein Putschversuch der Luftwaffe im August 1982 gab ihm Handhabe, im Namen nationaler Sicherheit zunehmend autoritär und repressiv gegen jedwede Opposition und Kritik vorzugehen. Kenia wurde zum Ein-Parteien-Staat erklärt, protestierende Studenten wurden brutal zusammengeknüppelt, politische Gegner jahrelang ohne Gerichtsverfahren gefangengehalten und gefoltert, mehr als 70 Regimegegner wegen Zugehörigkeit zu einer angeblich staatsgefährdenden Mwakenya-Untergrundbewegung verurteilt.

Politische Debatte wird durch Einschüchterung oder eine unmißverständliche Anweisung von „His Excellency“ unterbunden. Als der Nationale Kirchenrat (NCCK) und auch einige Parlamentsmitglieder sich Anfang 1988 gegen das von Moi gewünschte Wahlsystem des öffentlichen Schlangestehens hinter den Kandidaten aussprachen, beendete er mit einem Machtwort die Debatte: Bei den Parlamentswahlen wie auch bei den KANU-Wahlen wurde per Schlange abgestimmt - und Moi jeweils ohne Gegenstimme als Präsident und Parteichef wiedergewählt.

Ein weiterer politischer Streich Mois war im vergangenen Juli eine Verfassungsänderung, die ihn ermächtigt, die obersten Richter nach Belieben zu bestellen oder abzusetzen. Gleichzeitig läuft seit Monaten eine Kampagne gegen oppositionelle Kenianer im Ausland - unter ihnen der bekannte Schriftsteller Ngugi wa Thiongo - und gegen subversive Untergrundbewegungen im Lande, die die Regierung angeblich stürzen wollen. Die Hetze gegen die staatsfeindlichen „Dissidenten“ hat gefruchtet: In Massendemonstrationen bekundeten Wananchi ihre Sympathie für Moi und die Regierung, verbrannten Puppen, die die Abweichler darstellten, oder warfen sie den Haien im Meer zum Fraß vor. So herrscht Ruhe im Land und doch brodelt's im Volke.