Gute Voraussetzungen

■ Verhandlungen am runden Tisch unter Erwartungsdruck

Der Vergleich drängt sich geradezu auf: Am 31. August 1980 trafen sich Regierungsvertreter in der Danziger Leninwerft mit streikenden Arbeitern und handelten das „Danziger Abkommen“ aus. Heute treffen sich die Vertreter der Staatsmacht in einem Warschauer Palast mit den Vertretern der Streikenden vom Mai und August letzten Jahres. Das Hauptthema ist das gleiche geblieben: Zulassung einer freien Gewerkschaft.

Die Voraussetzungen sind heute jedoch viel günstiger, daß sich erstmals in Polens Nachkriegsgeschichte die Staatsmacht und die gemäßigte Opposition gegen die Bremser auf beiden Seiten verbünden. Eine Rückkehr zur „Anarchie von 1981“ dürfe es nicht geben, warnte Innenminister Kiszczak in seiner Eröffnungsrede am runden Tisch. Doch was Kiszczak als Anarchie bezeichnet, ist 1981 nicht zuletzt aufgrund der Einmischung der Nachbarländer, innenpolitischen Provokationen und darüber empörten Radikalen der Gewerkschaft entstanden.

Heute sind jene Betonköpfe, die 1981 aus der Parteispitze heraus jede Einigung sabotieren konnten, kaltgestellt und die Opposition zeichnet sich momentan durch wahre Engelsgeduld aus, auch zwei Priestermorde haben sie nicht aus der Ruhe bringen können. In der Bevölkerung, besonders der Jugend, ist die Geduld aber nahezu am Ende. Deshalb auch wäre die Partei gut beraten, im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen weitergehende Vorschläge als bisher zu machen. Auf einer Einheitsliste zu kandidieren, hieße für die Opposition, das undemokratische Wahlsystem auf Jahre hinaus zu zementieren. Über den Erfolg des Experiments „runder Tisch“ wird entscheiden, ob die Fortschritte bei der Reform und Demokratisierung mit den Erwartungen im Land Schritt halten können.

Klaus Bachmann