DISKUSSION MUSS SEIN

■ Modell einer kulturellen Filmförderung für Berlin

Nachfolgend dokumentieren wir die Diskussionspunkte, zu denen sich die Berliner Filmemacher der Lowest-Budget-Szene hochkarätige Gäste während der Filmfestspiele, aber doch nicht auf den Berliner Filmfestspielen eingeladen haben, um an diesen generell zu diskutieren, wie die Berliner Filmförderung aussehen könnte, wenn nicht nur die etablierten Filmemacher berücksichtigt werden könnten.

Unter einer kulturellen Filmförderung verstehen wir eine Förderung des Films als eigenständige Kunstform, unabhängig von seiner kommerziellen Auswertbarkeit. Der Freie Film muß gleichrangig der Bildenden Kunst oder der Freien Theaterarbeit behandelt werden. Unser Anliegen gilt insbesondere dem Film im Bereich von No- bis Low-Budget, dessen kommerzielle Verwertbarkeit ohnehin gering ist, dessen kulturelle Bedeutung aber gemeinhin unterschätzt wird. Künstlerische Qualität und filmsprachliche Innovation lassen sich nicht am finanziellen Erfolg messen.

Die Kulturelle Filmförderung muß als Fehlbedarfsfinanzierung durch den Senat von Berlin übernommen und langfristig gesichert werden, über die Vergabe der Mittel entscheiden unabhängige Gremien, die ein entsprechender Verein bestimmt. Gefördert werden sollen in erster Linie Projekte, die den eigenständigen Charakter der Kunstform Film betonen und weiterentwickeln. Die Höhe des Förderungsetats sollte sich an den schon bestehenden Kulturellen Filmförderungen in Hamburg und Nordrhein -Westfalen orientieren, dabei aber die avancierte Stellung Berlins als Anziehungspunkt und Zentrum des Freien Films berücksichtigen.

Für die konkrete Situation in Berlin erscheint uns ein auf zwei Schwerpunkte ausgerichtetes Förderungsmodell besonders vorteilhaft:

I. Projektbezogene Förderung und II. Strukturelle Förderung.

I. Projektförderung

Gefördert werden sollen:

1. Filme aller Formate, Genres und Längen, die mit dem Film als künstlerisches Medium arbeiten, indem sie außerhalb oder gegen traditionelle Sehgewohnheiten produziert sind, innovativ in Form und Inhalt sind, neue oder ungewohnte Techniken anwenden, persönliche Sichtweisen ausdrücken bzw. sich jeder herkömmlichen Kategorisierung entziehen. Auf eine finanzielle Eigenbeteiligung der Filmemacher/Produzenten sollte zumindest im unteren Budgetbereich verzichtet werden.

2. Produktvorbereitende Maßnahmen für o.a. Filmvorhaben wie Erstellung von Drehbüchern, Erprobung neuer Techniken, Recherchen usw.

3. Vertriebsmaßnahmen für die geförderten Filme im gewerblichen Bereich durch Unterstützung bei der Finanzierung von Verleihkopien, Untertitelung und Werbung.

II. Strukturförderung

1. Kinoförderung. Finanzielle Unterstützung privatwirtschaftlich betriebener Kinos bei der Durchführung von Programmen und Programmreihen mit Filmen, die durch diese Förderung entstanden sind und der Darstellung des Films als eigenständige Kunstform dienen.

2. Filmkritikförderung. Finanzielle Anreize und Hilfen für Publikationen und Würdigung von Filmkritiken, die sich dem Bereich des künstlerischen Films widmen.

3. Gremienarbeit. Die Gremien sollten vor allem durch eingehende Begutachtung der Förderanträge und schriftlich begründete Entscheidungen an der künstlerischen Entwicklung des Films mitwirken. (Selbstverständlich ist jede Entscheidung im künstlerischen Bereich letztendlich subjektiv.) Die Gremienmitglieder müssen entsprechend ihrem Arbeitsaufwand honoriert werden.

4. Förderungsanträge können in jeder beliebigen Form (Treatment, Expose, Drehbuch, Partitur, Fotos etc.) eingereicht werden. Eine ergänzende mündliche Projektdarstellung und die Sichtung von Arbeitsproben/fertiggestellten Filmen muß möglich sein. Darüber hinaus sollen Projektprämien für besonders gelungene, aber wegen des begrenzten Förderungsetats nicht geförderte Projektentwürfe vergeben werden.

5. Distribution und Archivierung geförderter Filme. Einrichtung bzw. Mitbenutzung eines Archivs und Katalogisierung aller geförderten Filme, Übernahme ausgewählter Filme in ein eigenes Verleihprogramm.

6. Weiterbildung. Organisation und Finanzierung von Seminaren u.ä. in allen filmischen Bereichen.

7. Filmwerkstatt. Einrichtung einer Werkstatt mit Schneidetischen, Vorführmöglichkeiten etc., die speziell No -Budget-Produktionen erleichtert.

8. Beratung schon vorbereitend bei der Kalkulation und bei der Abrechnung geförderter Projekte durch eine Person, die sich speziell in dieses Gebiet eingearbeitet hat.

9. Präsentation aller geförderten Filme in einer eigenen Reihe auf einem der Berliner Filmfestivals in Kinos, die sich auch sonst mit diesen Filmen befassen.

Die Kulturelle Filmförderung in Berlin sollte unbürokratisch arbeiten, um den kreativen Prozeß auf keiner Ebene zu behindern. Die Zusammenarbeit mit bereits vorhandenen Institutionen und die Nutzung bestehender Strukturen sollte angestrebt werden, um den Verwaltungsaufwand auf ein Minimum zu reduzieren. Die Bezeichnung Kulturstadt bzw. Filmmetropole wird nicht an großen Worten, sondern an Etats und Taten gemessen. Das hier kurz umrissene Modell stellt eine verläufige Diskussionsgrundlage dar und ist geeignet, Berlin auch auf lange Sicht den Status einer führenden Kultur- und Filmstadt zu sichern.

Michael Brynntrup, Penelope Buitenhuis, Michael Krause, Steff Ulbrich/Freie FilmemacherInnen in Berlin

Zu diesem Thema findet am Montag, 13. Februar, um 14 Uhr im Kepler-Saal der Urania ein Roundtable-Gespräch statt, zu dem Vertreter der Filmbüros aus Hamburg und NRW, Robert Eisenbauer, der Filmbeauftragte Berlins, Wolf Donner, Martin Körber, Alf Bold und viele andere geladen sind, von denen auch festzustehen scheint, daß sie sich darüber auseinandersetzen wollen.