Uni-Streik mit Kurs auf Semesterferien

■ Der Streik hat seinen Biß verloren / Aber an zahlreichen Fachbereichen sind jenseits der geltenden Hochschulgesetze paritätisch besetzte Gremien entstanden / Studentischer „Verhandlungsrat“ will sich in rot-grünen Koalitionshandel einschalten

„Die Luft ist raus aus dem Streik“, konstatiert ein Student auf einem „Streik-Plenum“ an der FU. Niemand mag ihm widersprechen. Nur relativ wenige Fachbereiche der FU haben den Streik abgebrochen oder ausgesetzt, darunter allerdings so wichtige wie Medizin, Physik und Chemie. Die Hochschule der Künste wird noch fast komplett bestreikt. An der TU halten sich noch-streikende und nicht-mehr streikende Fachbereiche in etwa die Waage. Doch umkämpft ist der Uni -Streik kaum noch, Abstimmungen finden fast keine mehr statt. Denn an den Fachbereichen, an denen jetzt seit mehr als zwei Monaten gestreikt wird, ist der Streik längst kein Druckmittel mehr: Das Semester, das in einer guten Woche zu Ende geht, ist eh „verloren“. Der Streik läppert sich in die Ferien. Dennoch läuft zur Zeit viel, gerade auf der Ebene der Fachbereiche. Ohne entsprechende Änderungen der Hochschulgesetze abzuwarten, ringen die StudentInnen dort mit den ProfessorInnen um neue Gremien, die ihren Forderungen nach mehr Mitbestimmung gerecht werden. Bei den KunsterziehungsstudentInnen der HdK beispielsweise bleibt der Fachbereichsrat in seiner alten Form bestehen, verpflichtet sich jedoch, die Entscheidungen einer vorgeschalteten, drittelparitätischen Kommission zu übernehmen. Den entgegengesetzten Weg geht das Lateinamerika -Institut der FU: Das alte „Direktorium“ ist dort abgeschafft und an seine Stelle tritt ein viertelparitätisch besetzter „Institutsrat“. Die rechtliche Absicherung der neuen Gremien steht aber in jedem Fall noch (und wohl noch lange) aus. Schließlich sind sie eine direkte Herausforderung des „Berliner Hochschulgesetzes“ und des bundesweiten „Hochschulrahmengesetzes“, in denen die Allmacht der ProfessorInnen festgeschrieben wird.

Auch über die Zukunft „autonomer Seminare“ wird in den Fachbereichen verhandelt. Dabei geht es um die Frage, inwieweit autonom von den StudentInnen durchgeführten Seminaren Räume, Geld und Sachmittel zur Verfügung gestellt werden und ob sie als „Leistungen“ anerkannt werden, das heißt ob und wie es für sie „Scheine“ gibt. Auf der Vollversammlung der TU am Dienstag präsentierte ein Student bereits den Vorschlag, als gemeinsames Forum für die autonomen Seminare des kommenden Semesters einen zweiten UNiMUT-Kongreß zu organisieren.

Deutlich erkennbar ist das Bestreben der StudentInnen, jetzt Pflöcke einzuhauen für Projekte, die sich über den Streik hinaus entwickeln sollen. Ein Beispiel hierfür ist die Initiative von LandwirtInnen der TU, in Spandau 20 Hektar Land für ein Projekt ökologischer Bewirtschaftung dauerhaft zu pachten. Der zu gründende Trägerverein soll über einen Kooperationsvertrag mit der TU verbunden und abgesichert sein, so die Pläne der StudentInnen.

Doch neben solchen kleinteiligen Projekten ist mit der Perspektive einer rot-grünen Koalition für den StudentInnen -Protest auch die „große“ politische Ebene wieder spannend geworden. Nach einer großen Diskussionsveranstaltung an der TU (siehe Bericht in dieser Ausgabe) ist für kommenden Montag um 12 Uhr auch an der FU geplant, die beiden Politiker Hilde Schramm (AL) und Hans Kremendahl (SPD) in die Höhle der beißenden Gummi-Bärchen zu bitten. Sowohl AL als auch SPD haben sich unter anderem eine Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) auf die Fahnen geschrieben - eine Forderung der StudentInnen, die vor dem 29. Januar kaum als „realistisch“ gelten konnte.

Bereits während der Koalitionsverhandlungen wollen die StudentInnen ihre Vorstellungen gegenüber AL und SPD offensiv vertreten. Da die bestehenden Räte während der Semesterferien nur recht spärlich tagen werden, soll sich zu diesem Zweck nun ein „Verhandlungsrat“ - als Namensvorschlag kam auch schon: „Ferienrat“ - bilden. Denn nach mehr als zwei Monaten Streiks und Besetzungen wollen die StudentInnen die neue Hochschulpolitik wahrlich nicht allein den Parteien überlassen.

Bert Hoffmann