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Betriebe produzierten zu viel

■ In der CSSR brachten zu hohe Vorräte 38 Staatsbetriebe in die roten Zahlen / Seit der Wirtschaftsreform bekommen die Unternehmen mehr Selbständigkeit / Abkehr von unrealistischen Wechselkursen

Berlin (taz) - Mitte Januar dieses Jahres erfuhr die tschechoslowakische Öffentlichkeit zum ersten Mal von der grotesk anmutenden Tatsche, daß 38 große staatliche Betriebe in ernste Zahlungsschwierigkeiten geraten sind, weil sie zu viel produziert haben. Zu viel Vorräte, begründete Rude Pravo den Sachverhalt. Was nicht in der Zeitung stand: Die Betriebe schleppten das Problem schon zehn Jahre mit sich herum.

Die Ursachen erläutert Svatopluk Smutny, wirtschaftspolitischer Kommentator von 'Rude Pravo‘, so: „Aus Furcht, nicht genügend geliefert zu bekommen, haben viele Betriebe von vorneherein wesentlich mehr Material bei ihren Zulieferern bestellt, als sie tatsächlich brauchten. Als dann wirklich mehr kam, produzierten sie mehr, konnten es aber nicht verkaufen.“ Jahrelang waren solche Überschüsse auf der Brünner Messe verkauft worden, oft wesentlich billiger.

Doch es waren nicht nur die Unwägbarkeiten bei der Zulieferung, die schließlich zur Zahlungsunfähigkeit führten; manche Betriebe versuchten, aus der Not eine Tugend zu machen: sie glichen die Bilanzen mit den Vorräten aus. Smutek: „Das Betriebsergebnis wurde bei uns bisher an der Produktion und am Verkauf gemessen. Mit Hilfe von Vorräten konnte man also das Ergebnis aufbessern, auch wenn man zu wenig verkauft hatte.“

Der Fall der 38 Betriebe macht ein grundlegendes Dilemma der tschechoslowakischen Wirtschaftspolitik deutlich: Weil die Betriebe nicht selbständig handeln können, sind die Preise weitgehend starr, weshalb wiederum die Bilanzen allein keine Auskunft über die tatsächliche Lage der Betriebe geben. Viele der 38 Betriebe hatten über die Nationalbank ihre Schuldenstände miteinander gegenseitig verrechnet, ohne daß sich an den Ursachen etwas geändert hätte. Um einen Gradmesser für die Wirtschaftlichkeit eines Betriebes zu erhalten, hatte man bisher Produktions- und Verkaufszahlen verglichen.

In Zukunft soll dies anders werden. Smutek: „Im Rahmen der Wirtschaftsreform werden die Betriebe mehr Selbständigkeit erhalten. Bisher hing alles vom Staat ab, der auch 90 Prozent des Gewinns kassierte. Nun werden die Betriebe eigene Produktions- und Investitionspläne aufstellen müssen, für deren Realisierung ihnen die Hälfte des Gewinns zur Verfügung steht.“ Schluß sein soll mit Endloskrediten der staatlichen Banken; künftig werden Kredite für Investitionen auf sieben Jahre befristet sein, und vor der Erteilung werden die Banken Wirtschaftlichkeitsprognosen für die geplante Investition fordern. Mehr Spielraum ist auch für den Außenhandel geplant, wo Betriebe nun einen festgelegten Gewinnanteil aus Devisengeschäften in konvertibler Währung behalten und frei darüber verfügen können. Der Selbstbehalt soll sich zwischen zehn und 18 Prozent bewegen.

Bewegung kommt dann auch in den Handel innerhalb des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW): Ab 1.Januar dieses Jahres hat die CSSR mit allen anderen Mitgliedsländern feste Wechselkurse vereinbart. Allerdings ist der Rubel innerhalb dieses Kurssystems stark überbewertet: Da ein US-Dollar nach offizieller Umrechnung 14,5 tschechoslowakischen Kronen entspricht, in Moskau aber ein Dollar mit zwei Rubel gleichgesetzt wird, wäre demnach der Rubel sieben Kronen wert. Im bilateralen Handel CSSR-UdSSR wird aber ein Verhältnis von 1:10 angewandt. Daß damit die CSSR den Ostexport praktisch subventioniert, gibt auch Svatopluk Smutek zu, aber: „Dafür haben wir einen Vorteil beim Import aus der UdSSR, zum Beispiel bekommen wir billigeres Erdöl.“

Die Betriebe, die mit sowjetischen Partnern in Kooperation stehen, dürfte das weniger freuen. Vom Erdöl haben die oft wenig, dafür aber verschlechtert sich der Rubel-Kurs künstlich ihre Bilanzen. Abhilfe erhoffen sie sich da von einem neuen Modell: Der sowjetische Partner zahlt in Rubel, der tschechoslowakische Partner in Kronen. Und die jeweiligen Beträge können voll für Käufe im Partnerland verwendet werden - unter Vermittlung der jeweiligen Staatsbanken. Das System wird bei Geschäften bis zu einer Höhe von 30 Millionen Kronen angewandt. Smutek: „Das ist zwar nicht viel, aber wir hoffen, es auf insgesamt 2.000 Betriebe ausweiten zu können.“

Daß dies letztlich bedeutet, daß die Krone irgendwann einmal konvertibel werden wird, ist den Wirtschaftsplanern der CSSR klar. Smutek: „Bis letztes Jahr haben wir unseren Kurs auf Goldbasis berechnet. Davon sind aber alle Staaten abgekommen, weil es unrealistisch ist.“ Die Abkehr vom Gold brachte der CSSR gleich eine Kursverschlechterung: statt 5 Kronen pro Dollar bekommt man nur 8,5.

Um zu verhindern, daß bei Einführung der Konvertibilität durch Kursverfälle das Land leergekauft wird, sieht die Wirtschaftsreform auch einen Ausbau des Westexports vor. Der beträgt zur Zeit noch 20 Prozent, größter Handelspartner ist die Bundesrepublik. Um sich die nötige Ausstattung für ihre Westexportoffensive zu verschaffen, dürfen die selbständigeren Betriebe in Zukunft auch Westkredite aufnehmen. Die staatliche Nationalbank vermittelt dabei nur, und weil die CSSR im Westen nahezu schuldenfrei ist, sind auch die Kreditzinsen erträglich. Bei alldem soll aber an einigen Grundfesten des bisherigen Wirtschaftssystems nicht gerüttelt werden: Der Privatbesitz an Produktionsmitteln bleibt verboten, Joint venture gibt es in der CSSR nur mit Staatsbetrieben, nicht mit Privatpersonen, und das Außenhandelsmodell bleibt unangestastet.

Kurt Bachmann

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