Kabuls Kommunisten bewaffnen Parteibasis

■ Gewehre und Faustfeuerwaffen ausgegeben / 45.000 Parteimitglieder bilden Reserve für die Armee

Kabul (afp/dpa/taz) - „Ihr steht jetzt auf eigenen Füßen“, rief Parteichef Nadschibullah am Dienstag seinen Genossen zu und demonstrierte damit den Ernst der Lage nach dem Abzug der sowjetischen Trupen. Überall in den von der Regierung noch kontrollierten Gebieten Afghanistans wurden Waffen an die 75.000 Parteimitglieder ausgegeben, allein an 30.000 Menschen in Kabul. In der Nacht zum Mittwoch meldete Radio Kabul, Parteiversammlungen seien in allen von den Regierungstruppen gehaltenen Städten und Ortschaften abgehalten worden mit dem Ziel, Verteidigungsmaßnahmen gegen die Mudschaheddin zu organisieren.

Rund 45.000 Parteimitglieder seien in verschiedene Truppenteile eingegliedert worden, um eine „Reserve zu bilden“. Die Bewaffnung der Parteibasis, so Radio Kabul, bestehe aus Gewehren und Faustfeuerwaffen. Nach Angaben aus Neu-Delhi sollen auch automatische Gewehre des Typs Kalaschnikow ausgegeben worden sein. Nur noch ein kleines Kontingent sowjetischer Soldaten halte sich auch nach dem Abzug eines Großteils der Truppen aus Kabul in der afghanischen Hauptstadt auf, meldete die sowjetische Nachrichtenagentur 'Tass‘ am Mittwoch. Dieses „nicht gerade große Kontingent“ würde den Flughafen Kabuls „vorübergehend“ schützen, erklärte 'Tass‘, machte jedoch keinerlei Angaben über die Stärke der Truppe.

Währenddessen scheinen die Mudschaheddin die Kampfhandlungen um Kabul eingestellt zu haben und den endgültigen Abzug der sowjetischen Truppen abzuwarten. Die den Angriff befehligenden Kommandanten wie Ahmad Shah Massud und Abdul Haq haben sich offenbar mit ihren Appellen durchgesetzt, jetzt die Kräfte für die entscheidende Schlacht um Kabul zu schonen. Die Angriffe der letzten Tage auf Kandahar und Kabul seien unkoordinierte Aktionen voreiliger Mudschaheddin-Truppen gewesen, hieß es aus den Mudschaheddin nahestehenden Kreisen in Neu-Delhi. Doch auch gestern gingen die Angriffe auf Kandahar und andere Städte entlang der Rückzugslinien weiter. Bisher konnte die Regierung sich ihrer verbliebenen Kontingente sicher sein. Doch nach bisher unbestätigten Berichten aus Islamabad sollen sich am Montag sechs afghanische Armeeoffiziere mit zwei Kampfhubschraubern im Norden des Landes zu den Feinden abgesetzt haben.

Noch dramatischer dürfte die Versorgung mit Lebensmitteln in der afghanischen Hauptstadt werden, nachdem 32 Tonnen Hilfsgüter der UNO in Islamabad liegenblieben. Der Start einer ägyptischen Maschine wurde aus Sicherheitsgründen verschoben.

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