Eifersucht, schriftlich

■ Ehemann setzte Eifersucht in anonymen Verleumdungsbrief um / An KollegInnen, Chefs und NachbarInnen seines Rivalen geschickt / Weitere Zeugen beantragt

Eifersucht ist bekanntlich vielfältig: Die einen weinen bitterlich und kriegen Alpträume. Die anderen schmeißen mit Rotweingläsern. Wieder andere schlagen oder stechen zu und schließlich gibt es auch noch eine Spezies unter den Rasend -Eifersüchtigen, die sich hinsetzt und einen einzigen, allerdings gerichtsverwertbaren Brief verfaßt. Zur letzteren Gruppe gehört, auch wenn er es bisher noch hartnäckig leugnet, mit großer Wahrscheinlichkeit Wolfgang L. Gestern saß er auf der Anklagebank im Amtsgericht und sah auf dem ZeugInnen-Stuhl alle die Revue passieren, die er noch aus der Hoch-Zeit seiner Eifersucht, dem April 1987, bestens kannte: Seinen verhaßten Rivalen Klaus-Dieter G., seine mittlerweile von ihm geschiedene Ehefrau, seine damalige Putzfrau, seine Ex-Schwiegereltern.

Das gerichtsrelevante Schreiben verleumdet den Rivalen Klaus-Dieter G. in bösartigen Sätzen, trägt auch dessen fin

gierte Unterschrift und war in zahlreichen Kopien versandt worden an die Nachbarinnen, Bekannten, KollegInnen und Chefs dieses Rivalen. Das Schreiben trägt die Überschrift „Wanted“. Dann geht es los im Text: „Ich heiße Klaus-Dieter G. und bin 30 Jahre alt. Mein Vorteil ist es, daß ich bartlos, haarlos, charakterlos und kriminell bin und wie ein 40jähriger aussehe. Ich werde von Gläubigern, Banken, Finanzamt, Staatsanwaltschaft gesucht. Ich habe mich ausgezeichnet durch Delikte wie schwere Körperverletzung (gegen Kollegen im Polizeidienst, aus dem ich entfernt wurde), durch Schlägereien und Betrug. Nachdem ich in den Jahren 1983 und 1984 Offenbarungseide geleistet haben, bin ich auf der Flucht. Wenn Sie mehr von mir wissen möchten, dann rufen Sie mich doch einmal an: Telefon (...)“

Klaus-Dieter G. erstattete Anzeige. Für ihn, wie auch für die Ex-Frau des Angeklagten und die

Ex-Schwiegereltern gibt es keinen Zweifel, wer den Brief verfaßt hat: Wolfgang L. Für die Ex-Schwiegermutter hat sich der Ex-Schwiegersohn als anonymer Urheber schon am Adressen -Etikett verraten, schließlich habe nur ihr Ex-Schwiegersohn ihre Anschrift notorisch falsch geschrieben. Auch der Ex -Schwiegervater ist sich sicher: „Die Worte, die in dem Schreibwerk standen, waren mir von meinem Schwiegersohn geläufig: 'Heiratsschwindler‘, 'Zuhälter‘.“ Die Ex-Putzfrau wußte mehr: Hatte Wolfgang L. ihr doch den handschriftlichen Entwurf des „Wanted„-Briefes stolz präsentiert. Sie sagte aus: „Herr L. erzählte mir doch jeden Tag, was das für ein Typ ist: mit Speckhals, schon pleite gegangen, verhaut Frauen, mit dem ist nichts los, aber auch gar nichts... Er sagte, er wolle jetzt Briefe verschicken, damit jeder weiß, was für ein Typ das ist, mit dem seine Frau zusammmen ist.“

Vor Gericht zeigte sich gestern

weniger der Ehemann als der Rivale erregt. Er ließ sich vom Anwalt des Ehemanns durch Fragen nach seinem Vorleben schnell aus der Ruhe bringen. Denn daß die Charakterisierung in dem Verleumdungsbrief nicht völlig aus der Luft gegriffen war, wurde schnell deutlich. An der Bereitschaft, zu prügeln und zuzuschlagen oder mit Schuldtiteln zu hantieren, generell an Streitlust schienen sich im übrigen beide Männer nicht nachzustehen. Und die Zuschauerin hatte genug Anlaß, darüber zu grübeln, welche verschlungenen Motive die Ex -Ehefrau wohl zu diesem Partnerwechsel animiert hatten.

Der „wanted„-Brief jedenfalls wird das Gericht noch mindestestens bis Mai beschäftigen. Die Verteidigung hat beantragt, weitere Zeugen zu hören, die belegen sollen, daß der Rivale viel mehr Feinde hatte, als nur den Ex-Ehemann und Angeklagten.

Eifersucht kann eben schrecklich langwierig sein.

B.D.