„Taktik muß die AL noch lernen“

■ Der Delegiertenrat der Alternativen Liste bilanziert die Verhandlungsgespräche mit der SPD in gedämpfter Stimmung / Eine Erkenntnis: Freundliche Sozialdemokraten müssen nicht zwangsläufig dieselben Positionen haben / Kritik an Köppls Zulagen-Vorstoß

Als die AL am Mittwoch abend eine erste Bilanz der bisherigen Gespräche mit der SPD zog, tat sie dies in gedämpfter Stimmung. Die Euphorie der ersten Tage ist verschwunden und einer Ernüchterung gewichen: einer Ernüchterung darüber, daß die Verbindlichkeit und Freundlichkeit der SPD-VertreterInnen in der ersten Gesprächsrunde nicht bedeutet, daß es große Übereinstimmung in Positionen gibt. „Die haben immer so nett genickt“, ironisierte Birgit Arkenstette die Gespräche, „selbst als wir von der Abschaffung des Verfassungsschutzes gesprochen haben“. Als es dann am Montag ans Eingemachte ging, waren einige in der Kommission „erschüttert“. Dem Nicken der ersten Runde folgte häufiges Kopfschütteln auf der Seite der Sozialdemokraten.

Birgit Arkenstette gab die Enttäuschung an die Delegierten zurück. „Wir müssen uns jetzt ein Bild machen, von dem, was in Verhandlungen realistisch ist“, sagte sie und: „Die Sozis sind doch dieselben geblieben wie vor dem 29.Januar“. In diese Richtung argumentierte auch Ulf Preuss-Lausitz. „Die SPD, das ist doch eine andere politische Kultur.“ Er sei nicht euphorisch gewesen, deshalb auch jetzt nicht enttäuscht. Der Tenor im Delegiertenrat war überwiegend pragmatisch. „Wir müssen uns klarmachen, daß letztendlich mit der SPD nicht mehr möglich ist, als das Umsetzen sozialdemokratischer Programmatik mit grünen Einsprengseln“, sagte Harald Wolf, Mitglied in der Gesprächskommission. Die Partei bereitet sich auf die mit Sicherheit auftretenden Schwierigkeiten in den Verhandlungen mit den Sozialdemokraten vor. Stefan Klinski warnte vor zu viel Detailforderungen. Die zukünftige Senatspolitik müsse in ihrem „Ziel“ und dem „Weg“ festgelegt werden, nicht in den Einzelheiten. Die Delegierten entschieden sich letztlich nahezu einstimmig dafür, auf der Grundlage ihres Wahlprogramms in die Verhandlungen zu gehen und keinen detaillierten Forderungskatalog auszuarbeiten. Siggi Fries Antrag, die Komission auf bestimmte Positionen festzulegen, wurde abgelehnt. Die endgültige Entscheidung wird aber erst die Vollversammlung treffen. Auch über die personelle Zusammensetzung der Verhandlungskomission entscheiden die Miglieder.

Zum Teil heftigen Ärger gab es über die bisherigen Gesprächsrunden von seiten einzelner Beobachter. Ein namenloses Mitglied griff die Gruppe gar frontal an. Die „Hausaufgaben“ hätten sie nicht gemacht, „schlecht vorbereitet“ seien sie gewesen. 50 Prozent der Argumente hätten vor der SPD entkräftet werden können, weil die AL sie nicht vorher auf ihre rechtliche und politische Machbarkeit hin geprüft habe. Die SPD habe in keinem Punkt Flagge zeigen müssen. „Ich habe mich geschämt, daß ich zur AL gehöre“, schloß der Beobachter. Herbe Kritik an der AL kam auch von Pressesprecher Dirk Schneider. Die „Utopien“ hätten ihm gefehlt in den Gesprächen mit der SPD. Die Forderung „autofreie Stadt“ sei kein einziges Mal gefallen. Er will, daß die AL „Breschen schlägt“, statt in „Nischen rumzueiern“. Auch Bernd Köppls öffentlicher Vorstoß in Sachen Wirtschaftspolitik und Berlinförderung ärgerte manchen Delegierten. Benno Hopmann hielt es für falsch, an dem Punkt die Gewerkschaften zu verärgern. Man könne in diesem Stadium nicht öffentlich fordern, daß Leute weniger Geld bekommen sollen. Damit allerdings war Stefan Klinski nicht einverstanden: „Umverteilung war immer eine zentrale Forderung der AL.“

Es scheint schwer für die Partei, zwischen Programmatik und Verhandlungstaktik zu unterscheiden. Immer wieder mußte sich der Delegiertenrat selbst versichern, daß die AL selbstverständlich eine eigenständige Partei bleibe, daß eine Revision von programmatischen Positionen nicht zur Debatte stehe. Birgit Arkenstette: „Das Spiel von Taktik und Diplomatie muß die AL erst nocht lernen.“

bf