Wunsch nach polizeilicher Intelligenz ist beleidigend

■ Studentin zu Geldstrafe verurteilt / Sie hatte zu einem Beamten gesagt: „Man sollte intelligentere Leute bei der Polizei einstellen“ / Der Polizist fühlte sich gekränkt

Die Forderung „Man sollte doch intelligentere Leute bei der Polizei einstellen“ ist eine Beleidigung für Polizeibeamte. Dieser Auffassung ist zumindest der Moabiter Amtsrichter Libera, der eine 30jährige Studentin gestern wegen dieser Aussage zu 100 Mark Geldstrafe verurteilte.

Alles begann mit einer banalen Verkehrsordnungswidrigkeit. Die Studentin hatte ihr Auto im Juli vergangenen Jahres auf dem Wilhelmsruher Damm in Wittenau im eingeschränkten Halteverbot abgestellt. Als sie mit ihrer Mutter zum Wagen zurückkehrte, fand sie unter dem Scheibenwischer ein Knöllchen vor und neben dem Auto zwei Polizeibeamte. „Sie verlangten, daß ich sofort bezahle, was ich aber nicht konnte, weil ich kein Geld dabei hatte. Daraufhin wollten sie meine Personalien haben“, erzählte die Angeklagte gestern vor Gericht. Als einer der Beamten außerdem auch noch fünf Mark Bußgeld von ihrer 56jährigen Mutter verlangt habe, weil diese über ein weißes Absperrgeländer geklettert sei, habe sie in „ganz normalen Ton“ zu den Polizisten gesagt: „Wegen so einer Lappalie halten Sie mich an. Kümmern Sie sich doch gefälligst um wichtigere Dinge. Man sollte intelligentere Leute bei der Polizei einstellen.“

Der 56jährige Beamte Klaus Z. sagte aus, er habe mit der Fahrerin ein „verkehrserzieherisches Gespräch“ führen wollen, als die Bemerkung gefallen sei. Von dem „Man sollte intelligentere Beamte einstellen“, so begründete Z. die Anzeige, „habe ich mich äußerst in meiner Ehre gekränkt gefühlt.“ Sein Kollege Ralf G. (54) wurde von Verteidiger Teipel gefragt, was er unter dem Begriff „Intelligenz“ verstehe. „Mit der Gewohnheit des täglichen Lebens bestens vertraut zu sein und seine Aufgaben angemessen zu erfüllen“, antwortete der Grünuniformierte.

„Es wäre eine Katastrophe für die Demokratie, wenn man solche Dinge nicht mehr sagen darf, dann wäre es um die Meinungsfreiheit in diesem Lande schlecht bestellt“, erhitzte sich Anwalt Teipel anschließend in seinem Plädoyer auf Freispruch. Dagegen, daß das Grundrecht auf Meinungsfreiheit beliebig durch das Strafrecht reglementiert werde, habe sich auch schon das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, zitierte der Verteidiger aus dem 'Spiegel‘. Amtsrichter Libera wertete den zur Verhandlung anstehenden Satz jedoch als eindeutige Beleidigung. Die Angeklagte habe mit dem Ausspruch eindeutig ihre Mißachtung zum Ausdruck bringen wollen, daß die Polizisten nicht in der Lage seien, ihren Dienst in angemessener Weise auszuüben. „Es mag zwar sehr viele Polizisten geben, die bei dieser Äußerung keine Strafanzeige erstattet hätten“, sinnierte Libera und wies den Hilfsbeweisantrag Teipels ab, zu dieser Frage doch den ehemaligen Polizeipräsidenten Hübner und den Vorsitzenden der Sozialdemokraten in der Polizei, Kramer, zu hören. „Wo kein Kläger, da kein Richter“, bestätigte Libera. „Aber darüber zu entscheiden, ob eine Anzeige notwendig war oder nicht, ist nicht Aufgabe des Gerichts“.

plu