Gewalt im kolumbianischen Alltag

Kolumbien kommt nicht zur Ruhe. Die alltäglichen Morde, die Massaker, die Gefechte zwischen Militär und Guerilla gehen zumindest in einigen Landesteilen weiter. Und als wäre dies alles nicht genug, ist auch noch ein „Krieg“ zwischen den Drogenkartellen von Medellin und Cali ausgebrochen, der fast täglich neue Opfer fordert. Das Absurd-Faszinierende dabei: Das Leben geht (wie das Sterben) fröhlich weiter. Heute ein Gefecht mit dreißig Toten, morgen ein Friedensgespräch, heute ein Bombenanschlag auf ein Mafiosigeschäft, morgen der traditionelle Blumenzug der „silleteros“ von Medellin, heute ein Massaker, morgen eine Schönheitskonkurrenz mit Parade durch die Stadt.

Vielleicht gibt es eine Gewöhnung an die Gewalt, wenn alle von ihr betroffen sind: Die Armen und die Linken sowieso, aber auch die Bürgerlichen, die Geschäftsleute, ja selbst führende Vertreter der traditionellen Parteien, die wiederholt entführt wurden - und dann nach der Freilassung daraus politisches Kapital schlagen.

Als wir mit der CRIC einen kleinen Minenort im Cauca besuchten, in dem schwarze Minenarbeiter zusammen mit den Indios dagegen protestierten, daß ihr Land an eine große Minenfirma verhökert werden soll, beklagte man dort gerade einen Toten. Am Tag vor unserer Ankunft war ein Indio ermordet worden. Vermutlich vom Militär oder von „paramilitares“. Vielleicht von gedungenen Mördern der Großgrundbesitzer oder einer Todesschwadron. Vielleicht aber auch in einer persönlichen Abrechnung. Genau wußte das keiner. Und Nachforschungen anzustellen, ist gefährlich. So wurde der Protestmarsch für das Recht auf Land auch zu einem Protestmarsch für das Recht auf Leben.

Der Kampf der Indios und des CRIC ist ein Aspekt der kolumbianischen Realität. Gesamtgesellschaftlich sicher nicht der bedeutsamste - der halben Million Indios stehen viele Millionen armer und ärmster Mischlinge gegenüber, die es mit ihrer „kulturellen Identität“ noch schwerer haben. Der CRIC, und das zeichnet ihn aus, trägt dieser Tatsache Rechnung. Er lehnt jeden rassistischen Weg ab: „Wir Indios sind ein Teil der ausgebeuteten und unterdrückten Massen“, heißt es in der Plattform. Daß sich die Organisation gleichzeitig dagegen verwahrt, von anderen politischen Organisationen vereinnahmt oder benutzt zu werden, ist ihr gutes Recht.

Die kleinen, mühsam errungenen Erfolge des CRIC, von denen hier die Rede ist, bieten sicher kein Modell für den Rest der kolumbianischen Gesellschaft. Vielleicht aber sind sie ein Hoffnungsschimnmer.

Thomas Pampuck