Kosovo-Albaner drohen: Generalstreik!

Albanische Arbeiter streiken seit einer Woche und drohen mit Generalstreik / Wut über die Unterdrückung durch Serbien / Auch in Makedonien steht die albanische Minderheit unter starkem Druck  ■  Von Erich Rathfelder

Berlin (taz) - Kommt es zu einem Generalstreik in Kosovo? Nach jugoslawischen Presseberichten steht er kurz bevor. Schon seit Freitag protestieren Tausende von Arbeitern gegen die Unterdrückungsmaßnahmen der serbischen Führung gegenüber den Kosovo-Albanern, die in der Region über 90 Prozent der Bevölkerung bilden. Und Anlässe für den Unmut der Bevölkerungsmehrheit gibt es genug.

So dürfen die 18.000 albanischen Arbeiter des größten Stahlwerkes Trepca in Kosovo im Betrieb seit kurzem nicht mehr ihre eigene Sprache benutzen. Außerdem verfügte die Betriebsleitung einen Einstellungsstopp für Angehörige der albanischen Bevölkerungsmehrheit. Nur Arbeiter der serbischen Minderheit - zur Zeit besetzen sie im Betrieb 4.000 Arbeitsplätze - sollen in Zukunft noch eingestellt werden.

Unmut und Wut staute sich bei den Albanern auch auf, als bekannt wurde, mit welch brutalen Mitteln in der Nachbarrepublik Makedonien die Rechte der dort ansässigen albanischen Minderheit eingeschränkt werden. Nach „Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker“ sind am 30. Dezember acht Albaner aus Gostivar (darunter Minderjährige von 16 beziehungsweise 17 Jahren) zu insgesamt 53 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil sie gegen die Auflösung albanischer Schulklassen protestiert hatten.

In Skopje sind 25 Schüler aus Kumrovec wegen ähnlicher „Delikte“ zu je sechs bis acht Jahren Haft verurteilt worden, zwei Mütter von Schulkindern müssen je fünf Jahre hinter Gitter. Die Stadtverwaltung von Skopje läßt im Stile des rumänischen Diktators Ceausescu albanische Viertel abreißen, 600 der 1.700 Häuser fielen schon der Spitzhacke zum Opfer. Schon jetzt stellen die Flüchtlinge aus dieser Region mit 20.812 ein Fünftel der Asylbewerber in der Bundesrepublik und sind im letzten Quartal 1988 zur stärksten Flüchtlingsgruppe geworden.

Den streikenden Arbeitern in Kosovo geht es offensichtlich jetzt auch darum, den ständigen politischen Angriffen aus der serbischen Hauptstadt Belgrad zu begegnen. Als auf dem Höhepunkt der serbischen nationalistischen Kampagne Ende November 1988 auch Zehntausende von Albanern auf die Straße gingen, interpretierten dies die serbischen Massenmedien als „konterrevolutionäre Umtriebe“. Und bis heute läßt die serbische Führung nichts unversucht, diese eigentümliche Geschichtsauffassung in der jugoslawischen Öffentlichkeit zu verbreiten. Am 13. Februar will sie sogar die „Organisatoren“ der damaligen Demonstrationen publik machen.

Angesichts des anhaltenden politischen Drucks aus Serbien ist die Vermutung nicht abwegig, daß die streikenden Arbeiter Rückendeckung aus der eigenen Partei erhalten. Sie wollen nämlich durch den Streik den serbischen Parteichef Slobodan Milosevic und den jugoslawischen Parteichef Stipe Suvar zu einem Besuch in Kosovo zwingen, um mit ihnen über diese Politik zu diskutieren.

Unmut hat auch ausgelöst, daß die Parteiführung der Region weiterhin unter massivem Druck aus Belgrad steht und im Gesamtstaat die Politik Milosevics mitvertreten soll. Milosevic und Suvar, so fordern die Arbeiter, sollen zur Entlassung des ehemaligen Parteiführers Azem Vlasi Rede und Antwort stehen.

Die Auseinandersetzungen in Kosovo werden sich bis zum März noch steigern - zu diesem Zeitpunkt soll die immer wieder verschobene Verfassungsänderung Serbien mehr Rechte im Kosovo einräumen. Doch im Rahmen der bestehenden Verfassung muß das Parlament in Kosovo der Verfassungsänderung zustimmen: nach Lage der Dinge erscheint dies jedoch ausgeschlossen.

Entsprechend befürchten nach Angaben der Presseagentur 'afp‘ „Beobachter“ bereits, daß der sich verschärfende Konflikt die Staats- und Parteiführung zu einer militärischen Lösung greifen läßt, wie sie 1981 in Polen vorexerziert wurde.