Gefangenenaufstand in Israel

Der Palästinenseraufstand ist im fünfzehnten Monat, doch ein Ende ist nicht in Sicht / Warnungen vor Auseinandersetzungen zwischen jüdischen Siedlern und der Armee / Vier Palästinenser und ein Israeli getötet / Scharfe Reaktion auf US-Menschenrechtsbericht  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Der fünfzehnte Monat des Palästinenseraufstands in den besetzten Gebieten hat einen blutigen Anfang genommen. Vier Palästinenser sind am Mittwoch den Schüssen von Soldaten zum Opfer gefallen, und ein Israeli wurde unter zunächst nicht geklärten Umständen in der Westbank nahe der Siedlung Alfe Menache getötet. Einer der getöteten Palästinenser kam ums Leben, als Sicherheitskräfte einen Aufstand von etwa 1.000 der 1.700 Insassen des Gefängnisses in Megiddo niederschlugen. Mindestens neunzehn Gefangene wurden dabei verletzt.

Die Proteste brachen aus, nachdem der Leiter der Haftanstalt Angehörigen-Besuche abbrechen lassen wollte, weil diese angeblich Steine auf vorbeifahrende Autos und parkende Fahrzeuge warfen. Als die Militärpolizei im Gefängnis Schußwaffen einsetzte, formierten sich Angehörige, denen der Zutritt verweigert wurde, zu einer Demonstration. Mehrere Dutzend blockierten die benachbarte Straße und bewarfen die Polizisten mit Steinen. Etwa 350 Personen wurden vorübergehend festgenommen.

Vorfälle der letzten Wochen, in denen Siedler in der Westbank durch palästinensische Dörfer zogen und Zerstörungen anrichteten, sowie der Gefängnisaufstand in Israel haben in der Öffentlichkeit den Eindruck verstärkt, daß dem Aufstand mit militärischen Mitteln nicht beizukommen ist und zudem langfristig nicht auf die besetzten Gebiete begrenzt werden kann. Der Militärkommentator der Zeitung 'Hadaschot‘ wies am Donnerstag in einem Artikel darauf hin, daß der Aufstand leicht völlig außer Kontrolle geraten könne, wenn die Siedler weiterhin das Recht in die eigenen Hände nähmen, um „Pogrome in arabischen Dörfern anzurichten“. Die Armee könne dann unversehens im Kampf mit den jüdisch-israelischen Siedlern stehen.

Der jüngste Versuch der Regierung, die Gespräche zwischen den USA und der PLO durch eine Kampagne zu unterbinden, zeigt zudem das Bemühen, jede diplomatische Initiative im Keim zu ersticken. Eine Alternative ist nicht in Sicht, denn die Vorschläge von Verteidigungsminister Jitzhak Rabin, in den besetzten Gebieten Wahlen abzuhalten und eine Autonomie -Regelung für sie einzuführen, wurden von den Palästinensern, die für ein Ende der Besatzung kämpfen, abgelehnt. Mittlerweile hat der US-Botschafter in Tunis dem PLO-Vertreter Achkam Balawi zu verstehen gegeben, daß der Versuch eines palästinensischen Kommandos im Libanon, nach Israel einzudringen, dem Dialog schaden könne.

Ministerpräsident Jitzhak Shamir nahm unterdessen die Ermordung des Israelis in der Westbank zum Anlaß, den Vereinigten Staaten wegen dem am Dienstag veröffentlichten Menschenrechtsbericht des State Department erneut die Leviten zu lesen. Im Rundfunk betonte er, das Attentat habe den Graben veranschaulicht, der zwischen der Wirklichkeit und dem Bericht bestehe, in dem die israelische Armee wegen ihres Vorgehens in den besetzten Gebieten kritisiert worden war.

Ungeachtet der offiziellen scharfen Zurückweisung des Berichts war aus dem israelischen Außenministerium inoffiziell zu vernehmen, der Bericht des State Department sei eher zurückhaltend formuliert. Man sei auf erheblich Schlimmeres gefaßt gewesen, auch wenn der Autor als „guter Freund Israels“ bezeichnet wird.