Rot-grüne Ernüchterung in Berlin

AL entscheidet am Samstag über ihre Strategie gegenüber der SPD / Streit der beiden Parteien um Wirtschaftspolitik hat Nachwirkungen  ■  Aus Berlin Brigitte Fehrle

Der Delegiertenrat der Berliner Alternativen Liste (AL) hat sich am Mittwoch abend für die Aufnahme von Verhandlungen über eine Zusammenarbeit mit der SPD ausgesprochen. Dieser Beschluß geht als Empfehlung an die am Samstag stattfindende Mitgliedervollversammlung. Ob die Verhandlungskommission mit einem Forderungskatalog zur SPD gehen wird, ist noch unklar. Ströbele empfiehlt der Partei, auf der Grundlage des Programms zu verhandeln, eine Gruppe um die ehemalige Bundestagsabgeordnete Fries wird auf der Mitgliedervollversammlung ein Forderungspapier an die SPD einbringen.

Nach nunmehr zwei Gesprächsterminen mit den Sozialdemokraten ist in der Alternativen Liste „Ernüchterung“ eingekehrt. Die Euphorie der ersten Tage weicht der Einsicht, daß man es mit einer Sozialdemokratie zu tun hat, die sich, nur weil sie in Richtung Rot-Grün überlegt, nicht verändert hat. „Wir müssen damit rechnen, daß nicht viel mehr möglich ist als die Umsetzung sozialdemokratischer Programmatik mit grünen Einsprengseln“, versuchte am Mittwoch abend Harald Wolf, Mitglied im Parteivorstand, die unausweichlichen Enttäuschungen an der Basis während der bevorstehenden Verhandlungen vorwegzunehmen.

Den ersten Dämpfer mußte die AL bereits einstecken. Auf die vorschnell vorgetragene Forderung des zukünftigen Abgeordneten Bernd Köppl, nach Änderung der Berlinförderung

-vom Bund finanzierte Vergünstigungen für Berliner Unternehmer und Arbeitnehmer - gab es einen Aufschrei in den Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften. Und auch der SPD -Landesvorsitzende Walter Momper erklärte eindringlich, man dürfe die Wirtschaft nicht verunsichern und ebensowenig die besser verdienenden Facharbeiter. „Politik läuft mit der Wirtschaft oder gar nicht“, sagte Momper. Doch damit will sich Köppl nicht zufrieden geben. SPD und AL wollten den sozialen und ökologischen Umbau in der Stadt, dafür sei nach Ansicht der AL die Berlinförderung langfristig ein Instrument. Man müsse hier zu einem Konflikt mit der Industrie bereit sein. „Wenn wir wirklich was verändern wollen, müssen wir alle heiligen Kühe infrage stellen“, sagte Köppl gestern gegenüber der taz.

Bonner SPD blickt

kritisch nach Berlin

In der Bonner SPD-Zentrale wird derweil die Berliner Entwicklung kritisch beäugt. Bundesgeschäftsführerin Anke Fuchs sieht „große Chancen“ für eine Koalition mit der Alternativen Liste. Den Vorwurf eines rot-grünen Chaos hält sie für „unerträglich“. Sie rät Walter Momper, sich Zeit zu lassen bei den Verhandlungen und die wichtigen Sachfragen wie Wohnungsbau und Arbeitsplätze zu klären. Heftigen Widerspruch erntete sie von ihrem Parteikollegen Rappe. Berlin sei mit den Grünen nicht zu regieren, sagte der Vorsitzende der Chemiegewerkschaft.

Nach wie vor reserviert äußert sich der Parteivorsitzende Vogel. Er schließt zwar ein Bündnis mit der AL nicht aus, verweist aber nochmals auf die drei Essentials, bei denen die SPD keine Kompromisse machen dürfe. Vogel will keine rot -grüne Unruhe in Berlin. Die stünde seinen Bemühungen, bei der Bundestagswahl 1990 absolute Mehrheiten zu bekommen, entgegen. Der SPD-Vorsitzende schloß auch ein zukünftiges Zusammengehen mit der FDP nicht aus. „Je mehr Varianten möglich werden, desto besser für uns“, sagte Vogel in einem Interview mit der 'Süddeutschen Zeitung‘.