Kewenig managte Ausweisungspässe

Berliner Innensenator dementiert Vorwurf, daß die Ausweise Blankoformulare seien / Der Innensenator selbst soll beim libanesischen Staatspräsidenten vorstellig geworden sein / Anwälte bleiben skeptisch  ■  Aus Berlin Vera Gaserow

Nach mehrtätiger Beratungspause hat der Berliner Innensenat gestern zu Berichten der taz Stellung genommen, die Ausländerbehörde habe sich auf dubiosen Wegen Pässe für libanesische Abschiebe-Flüchtlinge verschafft. Anwälte hatten den Verdacht erhoben, es handele sich bei den Ausweisen um Blankoformulare, die in Wirklichkeit von der Berliner Ausländerbehörde ausgestellt worden seien (s. taz vom 8.2.) Die ohne Wissen der libanesischen Botschaft ausgestellten Pässe, so erklärt nun der Berliner Innensenat, seien auf persönliche Initiative Kewenigs zustande gekommen, da die Bemühungen, über die libanesische Botschaft in Bonn, Reisedokumente zu erhalten, „nur in wenigen Fällen zum Erfolg führten“.

Nach einem persönlichen Gespräch Kewenigs mit dem libanesischen Staatspräsidenten Gemayel, sei ein „hoher Beamter der libanesischen Paßbehörde“ im Sommer 1988 für drei Tage nach Berlin gereist. Dort habe der Beamte - völlig allein - in einem Zimmer der Ausländerbehörde insgesamt 226 Pässe für Abschiebehäftlinge ausgestellt bzw. verlängert. Die Kosten für diese „einmalige Aktion“, einige tausend Mark, habe die Berliner Landeskasse getragen.

Der Sprecher des Berliner Innensenats, Birkenbeul, wollte gestern weder verraten, warum er diese Version nicht schon letzte Woche bekannt gegeben habe („Das konnte ich eben nicht“), noch wollte er den Namen des libanesischen Phantom -Beamten nennen („Namen spielen keine Rolle“). Daß die in Berlin ausgestellten Pässe Abweichungen von den gleichzeitig in Beirut ausgestellten Dokumenten aufweisen und deshalb den Eindruck einer Fälschung erwecken könnten, sei ein „Problem der libanesischen Behörden“.

Für die Berliner Anwälte, die auf die dubiosen Paßpraktiken aufmerksam gemacht haben, ist mit dieser Version des Berliner Innensenats die Herkunft der Pässe längst nicht aufgeklärt. Unklar bleibt, warum die Pässe andere Stempel tragen als die der Behörden in Beirut. Ungeklärt bleibt auch, warum die Pässe den Ausstellungsort Beirut tragen und nicht Berlin. Ebenso enthüllt die Stellungnahme des Senats nicht, warum die schon am 4.7. 1988 ausgestellten Dokumente meist erst im Dezember in den Akten der Ausländerbehörde aufgetaucht sind. Zweifel an der Korrektheit erheben die Anwälte auch deswegen, weil diese Ausweise von der libanesischen Botschaft in Bonn nicht anerkannt worden sind und die Botschaft einigen Abschiebhäftlingen zuvor einen Paß ausdrücklich verweigert hatte. Eine politische Gefährdung für die von Abschiebung bedrohten libanesischen Flüchtlinge sei damit keineswegs ausgeräumt, erklärten die Anwälte.