STRICHLISTE

■ Elke Nord in der Galerie Stil und Bruch

Ein Bild-Band, ein nahtloses Band aus eintausend aneinandergereihten Polaroid-Fotos zieht sich wie eine Spur, der man zu folgen hat, durch die ansonsten vollkommen leeren Räume der Galerie. Der Blick wandert entlang an vertikalen, schwarzen Strichen, die auf dem lichtgelben Grundton der Fotos wirken wie abgebrannte Streichhölzer.

Es wird keine Geschichte erzählt, es sei denn die einer Verweigerung. Jeder Strich steht - so die Künstlerin - für ein nicht gemachtes Foto, für ein entschiedenes Nein zur gängigen Praxis des Fotografierens als absurdem Versuch, Zeit zu konservieren. Diese Ab- oder Auflehnung wirkt sich im künstlerischen Herstellungsprozeß in der aggressiven Bearbeitung des Materials aus. Mit einem spitzen, harten Gegenstand muß in kürzester Zeit und mit viel Druck der „Pinsel„-Strich gesetzt werden, bevor die chemischen Substanzen auf der Bildschicht trocknen.

Dieser Kraftakt, der seinen Impuls aus der Negation bezieht, schafft ungewollt am Ende wieder das, wogegen er sich wandte: ein Bild. Ein Bild ohne Anfang und Ende, das gleichzeitig hyperästhetische Raumwirkung hat. Das Band der „nicht gemachten Fotos“ läuft über Fenster, Türen, über die unverputzten, geweißten Wände der Galerie, immer auf Blickhöhe. Bei näherem Hinsehen entdeckt man leichte Farbnuancierungen, die sich aus der unterschiedlichen Belichtungsdauer ergeben, wodurch andere Bildschichten zum Vorschein kommen.

Jedes einzelne Polaroid war ursprünglich fotografischer Müll, fehlbelichtetes Filmmaterial, mangelhafte Ware, die an den Fotohändler zurückgegeben wurde. Nur im hintersten Raum hängen zehn Polaroids, die wirklich Fotos sind. Diesmal schwarze Striche auf blutrotem Grund, als optischer Ein oder Ausstiegspunkt.

Die Bildästhetik ergibt sich auch aus der stofflichen Oberfläche mit ihrem spezifischen Glanz. Die Striche schaffen Strukturen, ergeben Ritzen und Einbuchtungen; berührt man die Fotos, wird ihre Plastizität spürbar, folgt man ihnen mit dem Blick, taucht man in die Rhythmik der Linien ein. Kein Einzelteil ist wie das Vorangegangene, jede zehn Zentimeter stehen für sich, sind Unikate, lesbar erst in der Gesamtheit, als räumlich abgeschlossener Kreislauf, Sinnbild dafür, daß wir den Bildern nicht entfliehen können.

D. Kloock

Ausstellung bis zum 26. Februar, Do-So 14-19 Uhr, Galerie Stil und Bruch, Admiralstraße 17, 1-36, Telefon 65 55 47.