DIE INSTALLATEURE KOMMEN

■ Das Kunstamt Schöneberg schickt Künstler auf Montage in den S-Bahnhof Schöneberg

Im Haus am Kleistpark stellt das Kunstamt Schöneberg drei Künstler vor: Peter Schultz-Hagen, Paul Pfarr und Jörg Hoffmann. Bis zum 24. April werden dort Objekte und Bilder der drei Installateure zu sehen sein, die sich nacheinander in die 2.000 Quadratmeter große Halle des S-Bahnhofs Schöneberg wagen, um in der dortigen Verlassenheit ihre Kunststücke auszusetzen.

Zu den (Er-)Findern und (Ver-) Dichtern von Geschichten, die in ihrer unterschwelligen Bedrohung und fatalen Unabwendbarkeit sehr deutsch geprägt sind, gehört Peter Schultz-Hagen. „Lieb Vaterland“: Zwei Räder, durch Messer in den Achsen für einen Moment stillgelegt, ein Bündel Alteisen, in dem man wieder zu montierende Schienen vermutet, und eine bereitliegende Kurbel. Erst dämmernd, dann immer entschiedener läßt diese Anordnung von schon Verschrottetem ein Bild von Mobilmachung an die Oberfläche steigen. Der Stillstand ist nur ein abwartender, ein Friede antäuschendes Manöver. Jeden Moment könnten die Schienen ausgelegt, die Messer aus den Achsen gezogen und die Räder angekurbelt werden. Im „Heldengrab“ thematisiert Peter Schultz-Hagen die Heroisierung des Todes und den aggressiven Appell des vermeintlichen Mahnmals. Neben Bohlen, die zum Sarkophag, und einer Eisenklappe, die zum Schild wird, liegt griffbereit der Speer. So nimmt er die Problematik von Gedenkstätten auf, die, den weiter interpretierbaren „Opfern des Krieges“ gewidmet, ebenso die „Täter“ entschuldigen. Die Herkunft der Materialien aus dem Arbeitsalltag blendet über die konstruktive Produktion die Destruktion des Krieges. Die menschlicher Kultur eigene zerstörende Energie, die fleißig unter ständiger Güter -Produktion verdeckt wird, wird sichtbar.

Am S-Bahnhof Schöneberg, den er vom 9. bis zum 26. Februar bezieht, spürt Schultz-Hagen einem Nebeneinander von Gegenwart und Vergangenheit nach. Am Bauensemble um den Bahnhof ließe sich ein synchroner Schnitt durch ein Jahrhundert Stadtgeschichte anlegen. Zeit als Dimension, der auch die Kunst unterworfen ist: drei große Blöcke aus Eis, roter Asche und Briketts wird Schultz-Hagen auf den Bahnsteig setzen. Die Blöcke (wenn nur das Eis nicht zu früh davonfließt) zeigen Momentaufnahmen von Zuständen von Materie, die in der Veränderung Energie freisetzt. In einer Beschreibung des Polarforschers Cook fand Schultz-Hagen jene Ödnis ausgedrückt, die ihn im winterlich abweisenden Stadtraum bedrückt. Ausgesperrt und ausgeliefert sein. Seine Installation verstärkt die Atmosphäre des Menschenleeren, Wüsten und Bedrohlichen, die den zugigen Bahnsteig mit halbbewachsenen Gleisen durchzieht.

Ganz als sensibles Auge und Entdecker zeigt sich Paul Pfarr. Zwei Beton-Bohrkerne, vor 15 Jahren aus dem Fundament des Flughafens Tegel gezogen und Pfarr von den Arbeitern überlassen: zerbrochen am Boden liegend, erhalten sie die Würde eines Trümmerfeldes antiker Säulen und das Geheimnisvolle einer verschütteten Kultur. Fast glaubt man den im Beton eingeschlossenen Kieseln etwas von der Unendlichkeit der Naturgeschichte, wie sie etwa in einer versteinerten Muschel lesbar ist, andichten zu können. Der Künstler, der nur wenig in die Gestalt der Dinge eingreift, tritt zunächst hinter dem Sammler zurück: doch in der Inszenierung werden die Artefakte der Vergangenheit zu seinen eigenen. Er nutzt die Poesie und Anmutsqualitäten der Fundstücke und schafft um sie den Raum, der sie als Akteure auf der Bühne ausgibt.

Pfarr inszeniert seine Beutestücke, die sich seit 15 Jahren in seinem Atelier angesammelt haben, paarweise: entweder er findet korrespondierende Stücke - zwei abgeschabte hölzerne Toilettentüren, „Männer“ und „Frauen“ beschriftet, bilden das eindeutigste Paar - oder er stellt analoge Formen her: zu einem Holzkeil, wahrscheinlich Teil eines Bootes, formt er einen Eisenkeil, der sicher nie die Funktion des ersten Stückes annehmen könnte. Für den Betrachter aber ist eine Unterscheidung zwischen historischem und ästhetischem Objekt möglich.

Pfarr wird seine Paare vom 9. bis zum 27. März in den Bahnhof bringen und solange nur Umrißzeichnungen im Haus am Kleistpark zurücklassen. Unter weißen Zelten - konkret eine Leihgabe des Senats für Jugend und Sport aus dem Zeltlager -Bestand, von Pfarr gebraucht, um in den weiten Dimensionen der Halle nicht unterzugehen - werden die Artefakte dort ritualisiert und zu Reliquien erhoben. In den Zelten zitiert Pfarr eine Nomadenkultur und schlägt damit den Bogen von den großen Kulturträgern der Vergangenheit zur erzwungenen Mobilität der Gegenwart.

Im April will sich Jörg Hoffmann mit der konkreten Situation des S-Bahnhofes beschäftigen und die Funktionslosigkeit der aufgegebenen Schienenwege mit dem draußen Richtung Stadtautobahn donnernden Individualverkehr konfrontieren. Die Ausstellung am Kleistpark zeigt von ihm schwarzgraue Bilder. Mit monumentalen, abstrakten malerischen Gesten belädt er schwer ein leichtes Papier, das sich gegen die Farbe aufwirft und knittert. Gerade durch diese Spannung aber beginnt die Schwere zu schweben und das Finstere einen Schimmer Transparenz zu versprechen.

Katrin Bettina Müller

Bilder, Objekte, Zeichnungen von Schultz-Hagen, Pfarr und Hoffmann im Haus am Kleistpark bis 24. April, Di-So 15-19 Uhr. S-Bahnhof Schöneberg: Di-So 15-19 Uhr: Schultz-Hagen 9. -26.2., Pfarr 9.-27.3., Hoffmann 6.-23.4.