Vom Bett zum Bruch

■ Ehemalige DDR-Bürger stehen nach zahllosen Einbrüchen vor Gericht / „Kaffee-Bande“ arbeitete lustvoll, lebte luxuriös / Für Zonis „nur das Beste“

„Solange ich draußen war, fühlte ich mich wie ein gehetztes Tier, sowie ich drinnen war, fühlte ich mich wie zu Hause“, schilderte der 25jährige Gelegenheitsarbeiter Michael D. gestern vor Gericht, wie ihm vor jedem Einbruch zu Mute war. Michael D. war Mitglied der sogenannten „Kaffee-Bande“, die in der Zeit zwischen September 1985 und Oktober '88 zu nachtschlafender Zeit Berlins Supermärkte verunsichert hatte. Auf das Konto der siebenköpfigen Bande geht eine Serie von an die hundert Einbrüchen, bei denen Tresorschränke ausgeräumt, tonnenweise Kaffee - bevorzugt war die Marke Dahlheimer - Spirituosen, Zigaretten und ab und zu auch mal Fleischwaren, Haushaltsgeräte und Elektroartikel abtransportiert wurden. Der Schaden soll in die Millonen gehen. In dem ersten einer Reihe von Verfahren stehen jetzt die ehemaligen DDR-Bürger Michael D. und Ulrich G. (29) sowie der 33jährige Detlev M. wegen gewerbsmäßigen Diebstahls mit unterschiedlicher Tatbeteiligung vor den Schranken der 17. Strafkammer.

„Jeder von uns hat das gemacht, was er am besten konnte“, sprudelte der Sachse Michael D. in heimatlichem Dialekt los. Er selbst sei mehr für die technischen Arbeiten wie Bohren, Sägen, Schneidbrennen und Schweißen zuständig gewesen. Wild mit den Händen gestikulierend, machte der körperlich eher schmächtig wirkende Angeklagte vor, wie er seinen ersten Geldschrank nach acht Stunden Ackerei aufbekam: „Das war ein riesiges Erfolgserlebnis.“ Dann schilderte er verschmitzt lachend, wie er, frisch am Schädel operiert, aus dem Krankenhaus zu einem Einbruch geholt wurde, weil seine Kumpels nicht durch das Einstiegsloch paßten. Und wie er einmal zwei ihm unbekannte Einbrecher an die Kripo verpfiff und dafür 400 Mark Belohnung kassierte: Er hatte sie zufällig beobachtet, als er selbst mit einem Fernglas vor einem Einbruchsobjekt auf der Lauer lag. Danach, so D., sei er bei der Kripo häufiger zu Gast gewesen. Dabei hätten ihn die Beamten auch nach Hinweisen zu den unaufgeklärten Einbrüchen seiner eigenen Bande befragt: „Sie haben was gefühlt, konnten es aber nicht beweisen. Es war wie ein Spiel, daß hat mir Spaß gemacht.“

D. war im September 1986 mit „nichts außer einer Tasche in der Hand“ im Notaufnahmelager Marienfelde angekommen, nachdem er in der DDR dreieinhalb Jahre wegen versuchter Republikflucht und Geheimnisverrats im Knast gesessen hatte. Er hatte von seinem „ersten Kaufrausch im Westen jede Menge Ratenzahlungen“ abzuleisten und sich für 1.200 Mark monatlich auf Schwanenwerder eingemietet: „Damit ich was vorzeigen konnte, als meine Oma aus dem Osten kam“, sagte Michael D.

Nachdem sein Mietvertrag für das Haus auf Schwanenwerder nicht mehr verlängert worden sei, so Michael D., hätten er und Ulrich G. in luxuriösen Hotels gelebt. „Weil wir aus dem Osten kamen, haben wir uns nur mit dem Besten zufriedengegeben.“ Ein Einbruch in eine Moabiter Lagerhalle war der Bande im Oktober zum Verhängnis geworden. Ein Passant hatte sich das Kennzeichen von D.s VW-Bus gemerkt, mit dem zwei Paletten voll Kaffee im Wert von jeweils 8.000 Mark abtransportiert worden waren. Michael D. hatte nach seiner Festnahme eine „Lebensbeichte“ abgelegt, die zur Verhaftung seiner Mittäter führte. Der Prozeß wird kommende Woche fortgesetzt.

plu