Alles offen

Die CDU/SPD-Verhandlungen sind nicht nur zum Schein  ■ K O M M E N T A R

Rot-grün, meinen manche frohgestimmt, sei eigentlich schon eine klare Sache, die SPD verhandele nur noch aus taktischen Gründen mit der CDU, um die AL unter Druck setzen zu können und um ihre Verantwortung für Berlin zu beweisen. Dagegen sprechen allerdings nach wie vor eine Reihe von Indizien: Die überraschte SPD ist immer noch nicht auf das Regieren vorbereitet. In der Partei gibt es genug Konservative und Zweifler, die vor der plötzlichen Aussicht, sich von den grün-bunten Igeln küssen zu lassen, zurückschrecken. Schon allein deshalb muß Momper mit den Schwarzen verhandeln. Aber der SPD-Chef gehört selbst auch zu den Zögernden. Nicht umsonst hat er in den letzten vier Jahren die AL mit spitzen Fingern angefaßt. Vor allem aber weiß Momper genau, daß er für viele seiner Vorhaben - die Begrenzung der Mieten, die Schaffung von Arbeitsplätzen - die Unterstützung, ja gar die Zustimmung Bonns braucht. Und die ist in einer großen Koalition allemal leichter zu kriegen als in einem rot -grünen Bündnis. Seine Verhandlungen mit der CDU sind also nicht bloße Taktik. Doch sie haben taktische Wirkung - auch auf die Alternative Liste. Jetzt, passend zur MVV, soll den Alternativen noch ein gehöriger Schrecken eingejagt werden. Momper ist zu Rot-Grün bereit, aber nicht mit einer AL, die in ihren Wünschen zwischen Dienstfahrrädern und Milliardenbeträgen schwankt. Die SPD will Rot-Grün politisch überleben und braucht dafür stabile Verhältnisse. Wenn das die AL nicht garantieren kann, ist die schwarz-rote Lösung absehbar. Daß bislang zwischen den Roten und den Schwarzen kein politisches Porzellan wirklich zerschmissen wurde, hat nichts mit Höflichkeit zu tun. Die Entscheidung wird immer noch offen gehalten.

Brigitte Fehrle