Ich liebe Hollywood

■ Stephen Frears zu seiner Verfilmung der „Gefährlichen Liebschaften“

taz: Nach „Sammy und Rosie“ gab es in England erhebliche Proteste von konservativer Presse und Politikern - wird dieser Film denn Frau Thatcher und Co. besser gefallen?

Stephen Frears: Kann ich nicht sagen ... aber das sind so dumme Leute, die kapieren vermutlich überhaupt nicht, worum's eigentlich geht.

Wie fühlt man sich nach solchen Angriffen in der Presse?

Naja, die rechte Presse bei uns attackiert eigentlich jeden, sobald er eine Meinung hat. Und Kritik an der Regierung ist ohnehin tabu... Das ist das Land, aus dem ich komme.

Dennoch ist das politische Enfant terrible nun zum Hollywood-Establishment gewechselt. Sie dürfen sogar die Berlinale eröffnen.

Eine so große Schande ist das ja hoffentlich nicht? Ich bin froh darüber, weil ich bislang noch nie in Berlin war. Jetzt hab ich endlich die Gelegenheit dazu.

Dieser Film ist doch aber anders als die anderen?

Ich sehe eigentlich keinen Bruch. Zumal der Roman seinerzeit äußerst provokativ war. Ich habe schon immer gesagt, daß ich amerikanisches Kino mag. Jetzt ist das Ganze eben ein bißchen teurer, die Leute stecken in Kostümen, und die Schauspieler sind sehr gut.

Es geht allerdings nicht mehr um das heutige England...

Stimmt, aber das heutige England ist ein sehr deprimierendes Thema. Man stößt dann auch schnell an Grenzen, was man noch sagen kann. Ich fand es jedenfalls überaus angenehm, einen Film zu machen, bei dem einem nicht fortwährend die Stimme von Frau Thatcher im Ohr schallt.

Ist der Rückgriff auf das 18.Jahrhundert eine Art Flucht?

Naja, die Politik in England bringt einen bisweilen zum Kämpfen, bisweilen aber auch zum Flüchten. Und tatsächlich war dieser Film über ein anderes Jahrhundert, der in Frankreich entstand, mit amerikanischem Geld, wie ein Strick, den man über die Mauer wirft. Endlich einmal nicht diese dumme britische Politik.

Wo sehen Sie die Aktualität des Stückes für heute?

Der Roman wird oft als Folie für die kommende Revolution gesehen. Wenn man im Film dieses Thema allerdings seriös behandeln wollte, müßte man ihn ganz anders machen, beispielsweise auch die sozialen Ungerechtigkeiten zeigen. Wir haben uns im Film beschränkt auf das Leben der upper -class und ihre schrecklichen Spielchen. Ich glaube, auch heute gibt es immens reiche Leute, die ein sehr dummes Leben führen.

Wie sind Sie mit den amerikanischen Produktionsbedingungen zurechtgekommen?

Ich hatte so wenig Probleme, daß ich mich schon fast frage, weshalb ich so gut in dieses korrupte System gepaßt habe. Ich fühle mich wie jemand, der durch ein Tal voll Krokodile gewandert ist, und am anderen Ende heil herauskommt. Meine Naivität in puncto Studios jedenfalls ist schon absurd groß.

Weshalb war Hollywood überhaupt an Ihnen interessiert?

Es gab eine lange Wunschliste von Regisseuren für den Film. Und irgendwo stand auch mein Name. Volker Schlöndorff hatte vor mir das Angebot bekommen, hielt die Sache aber nicht für verfilmbar.

Wie war die Arbeit mit den großen Hollywood-Stars?

Allen Gerüchten zum Trotz, die es darum gibt, hatte ich keine Probleme. Diese Leute sehen sich mehr als Schauspieler, denn als Stars. Glenn Close spielt seit 20 Jahren, und ihre Arbeit interessiert sie mehr als die Marke ihres Autos.

Wenn Sie den Film statt mit Hollywood mit Ihrer bisherigen Firma „Working Title“ produziert hätten, wäre er dann anders ausgefallen?

Dann wäre es sicherlich eine Punk-Version mit einem Eine -Million-Dollar-Etat geworden. Statt einer subversiven Low -Budget-Produktion war mir aber ein Film im Stil des 40er -Jahre-Hollywoods viel lieber.

Wie sehen Sie als eine der Gallionsfiguren des „New British Cinema“ die derzeitige Situation?

Die Lage ist schrecklich. Es gibt kein britisches Kino mehr, das ist vorüber. Es ist heute sehr viel schwieriger als beispielsweise noch vor einem Jahr. Härter, aber wohl auch realistischer inzwischen.

Aber Firmen wie „Handmade“ und „Working Title“ machen doch interessante Sachen...

„Handmade“ steht vor dem Kollaps, während „Working Title“ sich in Richtung Fernsehen entwickelt. Ganz allgemein gehen mittlerweile einfach auch die Ideen aus. England ist ein so kleines Land, und man stößt einfach schnell an Grenzen. Deutlich wurde das durch Hanif Kureshi (dem Autor vom „Wunderbaren Waschsalon“), der einen pakistanischen Hintergrund hat und so völlig neue Sachen machte. Man bräuchte also immer wieder einmal jemanden vom Mars, der die ganzen Versteinerungen hier wegsprengt.

Was halten Sie denn von Filmen wie „Fruitmachine“, „For Queen and Country“ oder dem neuen Derek Jarman?

Die hab ich nicht gesehen. Aber sie klingen nicht wie grundlegend neue Sachen. Auf den Fotos von „Queen and Country“ sieht man Rassenunruhen von Schwarzen - okay, aber das war auch schon in „Sammy und Rosie“ zu sehen. Es scheint also schwierig, neue Themen zu finden. Zumal Frau Thatcher auch nicht den kleinsten Anschein erweckt, als ob sie jemals sterben würde.

Was bedeutet das für den zukünftigen Frears?

Ich weiß es nicht. Allerdings habe ich überhaupt keine Bedenken, amerikanische Filme zu machen. Ich liebe das klassische US-Kino. Dort sind viel mehr gute Filme gemacht worden, als anderswo auf der Welt. Wenn Ophüls und Hitchcock Filme in USA machen konnten, warum nicht jeder andere auch?

Wie paßt diese Amerika-Liebe zu Filmen wie „Prick up your Ears“ oder dem „Waschsalon“?

Es steckt sehr viel von „Denn sie wissen nicht was sie tun“ im Waschsalon. Auch der Sex wird ganz im Hollywood-Stil dargeboten. So verschieden die Themen sein mögen, kommt die Ästhetik eben doch oft aus USA.

Das Gespräch führte Dieter Oßwald