Washington von Bonner Schritten „beeindruckt“

Schäuble berichtet über Gesetzesverschärfungen beim Export chemischer Güter / Rege Reisetätigkeit bundesdeutscher Politiker / Kritik an der Bundesrepublik geht weiter: „Ist Bonn das Recht auf Chemiewaffenexport wichtiger als die Beziehungen zu den USA?“  ■  Aus Washington Stefan Schaaf

Die Periode von „Verärgerung, Verstimmung und Irritation“ zwischen der Bundesregierung und der US-Regierung haben beide Seiten nach Ansicht des FDP-Vorsitzenden Lambsdorff „hinter sich gebracht“. Lambsdorff hielt sich bis zum Donnerstag in den USA auf und sprach mit Politikern aus der Bush-Administration und dem Kongreß. Seine fast zweiwöchigen Gespräche habe er auch für die Bundesregierung geführt, hieß es.

Wegen des wichtigsten Konfliktpunktes zwischen Bonn und Washington, der bundesdeutschen Hilfe bei der libyschen Chemiewaffenbeschaffung, kam am Mittwoch auch Kanzleramtsminister Schäuble in die USA. Schäuble soll die amerikanische Seite über die in Bonn geplanten Gesetzesänderungen informieren, durch die in Zukunft militärische Exporte besser kontrolliert werden sollen.

Schäubles Gesprächspartner erfuhren, daß die Bundesregierung am 15.Februar dem Parlament vorschlagen wird, die im Außenwirtschaftsgesetz vorgesehenen Geld- und Freiheitsstrafen zu verschärfen. Als zweite Maßnahme soll ein neuer Straftatbestand eingeführt werden: „fahrlässige Mitwirkung von Bundesbürgern bei der Herstellung chemischer Kampfstoffe, gleichgültig, in welchem Land“. Drittens sollen die für die Exportkontrolle zuständigen Behörden, darunter das Zollkriminalamt, besser mit Personal und technischen Mitteln ausgestattet werden. Im übrigen soll die Liste der Stoffe, für deren Ausfuhr eine Meldepflicht besteht, erweitert und auf technisches Know-how ausgedehnt werden.

Sowohl Außenminister Baker als auch die Senatoren Pell und Helms seien von diesem Katalog „beeindruckt“ gewesen. Auch Lambsdorff wurde versichert, daß man in Washington die Schritte der Bundesregierung begrüße. Präsident Bush habe ihm gegenüber geäußert, es gebe wegen der Libyen-Affäre „keine Nachwehen mehr“.

Der FDP-Vorsitzende räumte ein, er sei bei einigen Gesprächspartnern auf „irrige Wahrnehmungen“ über die Ansichten Bundesaußenminister Genschers gestoßen. „Einige haben hier einen grundsätzlich anderen Ansatz in der Beurteilung der Sowjetunion“, doch sei er sich mit allen darüber einig gewesen, daß man Gorbatschow und nicht etwa dessen reformfeindlichen Widersachern Erfolg wünsche.

Währenddessen ging der öffentliche Streit um die Hilfe westeuropäischer Länder bei der Chemiewaffenproduktion im Nahen Osten weiter. In einer Anhörung eines Senatsausschusses beschuldigte CIA-Direktor William Webster „westeuropäische Firmen“, die er im einzelnen nicht benannte, nicht nur Libyen und dem Irak, sondern auch Iran und Syrien zu chemischen Kampfstoffen verholfen zu haben. Diese Hilfe von außen sei „entscheidend“ gewesen und häufig „in voller Kenntnis der Absichten dieser Länder“ erfolgt. Westeuropäische Experten hätten sich selbst nach Aufnahme der Chemiewaffenproduktion noch in der irakischen Anlage in Samarra, siebzig Kilometer nordwestlich von Bagdad, aufgehalten. Westeuropäische Firmen hätten außerdem Syrien mit den chemischen Grundstoffen und mit Ausrüstung für die Chemiewaffenproduktion versorgt. Der Iran hat sich laut Webster in Westeuropa und Asien mit Geräten und Chemikalien versorgen können. Seit dem Waffenstillstand mit dem Irak habe der Iran seine Produktionskapazitäten noch ausgeweitet, berichtete der CIA-Direktor.

Ein zweiter Zeuge, W. Seth Carus vom privaten „Washington Institute for Near East Policy“, übte scharfe Kritik an der Bundesrepublik, die er als „den größten Sünder“ in Sachen chemische Proliferation bezeichnete. Obwohl die US-Regierung schon vor fünf Jahren die bundesdeutschen Firmen identifiziert habe, die dem Irak beim Bau seiner Chemiewaffenfabrik geholfen hätten, habe Bonn nie einen Versuch unternommen, seine Gesetze entsprechend zu ändern. Carus: „Es scheint, als ob den Deutschen ihr Recht, die zur Chemiewaffenproduktion notwendigen Güter und Fertigkeiten zu exportieren, wichtiger war als ihre Beziehungen zu den Vereinigten Staaten. Dies verdient einige Aufmerksamkeit von allen, die die deutsch-amerikanischen Beziehungen analysieren.“