Jamaikaner wählen Sparpolitik ab

Manley siegt nach acht Jahren Opposition / Schwarze votieren gegen das Sparprogramm des bisherigen Premiers Seaga / Zwölf Tote und zahlreiche Verletzte im Wahlkampf  ■  Aus Kingston Jörg Hafkemeyer

Nach einem spannungsgeladenen Wahltag mit einigen brutalen Zwischenfällen, bei denen es eine Tote und mindestens sechs Verletzte gab, ist der 64jährige Michael Manley nach acht Jahren in der Opposition zum neuen Premierminister Jamaikas gewählt worden. Damit hat er mit seiner „Nationalen Volkspartei“ (PNP) einen überzeugenden Wahlsieg gegen die „Arbeiterpartei“ (JLP) des bisherigen konservativen Regierungschefs Edward Seaga erzielt. Die Wahlen hatten unter einem starken Sicherheitsaufgebot stattgefunden. Insgesamt kamen während des gut vierwöchigen Wahlkampfes und am Wahltag zwölf Menschen ums Leben, mindestens 92 wurden verletzt.

Die JLP verfügt nur noch über zehn der 60 Parlamentssitze, während Manleys PNP 43 Sitze eroberte. Im Hauptquartier der neuen Mehrheitspartei von Michael Manley brach bereits nach der Bekanntgabe der ersten Ergebnisse am frühen Donnerstag abend Ortszeit frenetischer Jubel aus, der sich in den Nachtstunden noch steigerte, als Michael Manley seine Dankesrede hielt und dem unterlegenen Gegner ein Angebot zur Zusammenarbeit machte. Bei dem Urnengang der 1,1 Millionen wahlberechtigten JamaikanerInnen soll es zu verschiedenen Unregelmäßigkeiten gekommen sein. Wahlurnen wurden gestohlen und Stimmen offenbar gefälscht, wenn auch nicht in größerer Zahl.

Der neue Premierminister Michael Manley, Sozialist, war von 1972 bis 1980 bereits einmal Premierminister und ist wie der gerade zum Präsidenten Venezuelas gewählte Sozialdemokrat Carlos Andres Perez einer der Stellvertretenden Vorsitzenden der Sozialistischen Internationale.

„Wenn Premierminister Seaga sich in einem öffentlichen Krankenhaus behandeln ließe, die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen würde und nicht nur über die Hauptstraßen des Landes führe, dann wüßte er, unter welchen miserablen Bedingungen die meisten von uns leben müssen“, hatte eine jamaikanische Hausfrau aufgeregt während einer nächtlichen Wahlveranstaltung der sozialistischen PNP des 64jährigen Michael Manley in der Kleinstadt Lindstead kritisiert. 4.000 Menschen, überwiegend Schwarze, hatten sich am Montag vor der Wahl dort versammelt, um bei mitreißender Reggae-Musik auf den Mann zu warten, der unter dem Slogan „We put people first“ - „Bei uns stehen die Menschen an erster Stelle“ jetzt die Wahlen gewonnen hat. Vor acht Jahren hatte Seagas Arbeiterpartei erdrutschartig über Manley gesiegt. Spätestens seit dem Sommer 1986 ist deutlich geworden, daß immer mehr Jamaikaner, vor allem aus den verarmten unteren Schichten, der Partei Michael Manleys zugelaufen sind. Nicht zuletzt, weil die von den USA intensiv beeinflußte und sowohl vom Währungsfonds wie von der Weltbank finanzierte Wirtschaftspolitik der Seaga-Regierung im wesentlichen dazu beitrug, daß es der Mehrheit der überwiegend schwarzen Bevölkerung im 2,3 Millionen Einwohner umfassenden Karibik -Staat schlechter geht als vor acht Jahren.

Die Preise laufen den Einkommen, so überhaupt vorhanden, davon. Die Arbeitslosigkeit ist zwar leicht gesunken und soll knapp unter 20 Prozent liegen, doch betrifft sie hauptsächlich jüngere Leute. Hinzu kommt die immense Wohnungsnot. Premierminister Seaga hatte die Sozialleistungen brutal zusammengestrichen. Schließlich ist die Pro-Kopf-Auslandsverschuldung mit die höchste auf dem amerikanischen Kontinent. So war im Wahlkampf die Wirtschaftslage das entscheidende Thema, wobei die Konservativen den Sozialisten vorwerfen, sie hätten zwischen 1972 und 1980 Mißmanagement betrieben. Aber selbst jene unter den arbeitslosen und verarmten Jamaikanern, die sich noch an diese Zeit erinnern, sagen in diesen Tagen, daß Manley sich immer für sie eingesetzt habe: „Vergessen Sie nicht, daß er es war, der den Mindestlohn eingeführt hat, vergessen Sie nicht, daß er brachliegendes Land an Kleinbauern verteilte, Teile der Schulausbildungen und Studien an den Universitäten kostenlos machte“, erinnert Benjamin, der im alten Kingston unten in der Nähe der Docks Gelegenheitsjobs nachgeht. Er hat während der Alphabetisierungskampagne Manleys Lesen und Schreiben gelernt: „Bestimmt hat vieles nicht geklappt“, gibt er zu, „aber Manley hat versucht, unsere Interessen zu schützen. Seaga schützt die der Reichen.“