Hut ab zum Applaus

■ Bremer Pferdesport-Festival am Sonntag nachmittag: Sportsenator Kröning und Audi zeichnen einen Traumtänzer aus / Wurst für den Pflegr, Geld für den Besitzer

„Mami, Mami, der bringt die Wand zu Wackeln“, sagt die Kleine. Recht hat sie, denn Royal verhält sich wirklich nicht so, wie es der Name verspricht, und schon gar nicht, wie es das Regelwerk verlangt. Erstens schnaubt er wie ein Motorrad brummt, und zweitens rammt er mit voller Wucht und mächtigem Pferdeleib in die Mauer, daß es nur so bröckelt. Da war der Reitersmann allzu forsch 'rangegangen. Keine Chance mehr auf das zweite Stechen beim „Großen Preis der Freien Hansestadt Bremen und Audi-Preis.“

Nämlicher ist alljährlich einer der Höhepunkte des Bremer Reit-und Springturniers, das zum 25. Jubiläum in „Bremer Pferde

sport-Festival“ umbenannt wurde. Begründung der Festival -Macher: In Bremen wird dem Publikum viel mehr geboten, als nur Spring- und Dressurprüfungen. Ein Gang durch die Halle bestätigt das. Überall Buden, an denen sich Pferdebegeisterte mit Modischem für Pferd und Reitersmann oder -frau eindecken können. Und ganz hinten gibt's auch was für die Kleinen. Da lädt Milka, nein, nicht auf die lila Kuh, sondern auf's Pony. Und in der großen Halle springen von morgens bis abends edle Pferde über Mauer, Oxer, Gräbelein und was sich mensch sonst noch alles ausgedacht hat, um Tier zu fordern. Und wenn nicht gerade eine Springprüfung L, S oder M ansteht, drehen sich dressierte Vierbeiner auf ihren Hinterbeinen oder tanzen da „einfach so zur Musik 'rum“, wie ein anderes Kind treffend bemerkt. Ansonsten gibt es noch Voltegierwettbewerbe, Westernprüfungen, und wenn andernorts Leute beim Sonntagsgulasch sitzen, kommt ein richtiger Prediger und erzählt etwas vom Verhältnis Mensch-Tier.

Zurück zum Beginn des Höhepunktes, Aufmarsch der Gladiatoren. bundesdeutschen Reitern, die bei Olympischen Spielen einen ganzen Schwung Edelmetall abgeräumt haben, kann man es natürlich nicht zumuten, auf nur einem Roß zur Vorstellung in die Halle zu kommen. Also hat VW es sich nicht nehmen lassen, Unmengen von PS bereitzustellen, mit denen die Herren Reiter in die Halle kutschiert werden. Der Verlauf der Vorstellung nimmt das Rennen zum Teil vorweg: Alle fünf Wagen kommen, ohne ein Hindernis gerammt zu haben, durch die Halle. Null Fehlerpunkte.

Von den 34 Reitern, die sich für den Großen Preis qualifiziert haben, tun es im ersten Umlauf gleich 13 den VW -Fahrern nach. Und gute Manieren haben auch alle. Immer wenn sie in die Halle kommen, nehmen sie ihren schwarzen Hut ab, grüßen brav und nehmen braven Applaus in Empfang. Unangenehm fällt nur ein Herr Weinberg auf, der es immerhin beinahe zum Olympiareiter gebracht ätte. In Bremen traktiert er seinen „Graziano“ eher

wie ein texanischer Rodeoreiter. Graziano läßt sich das zu Recht so nicht bieten, räumt erst ab und veranlaßt den Reiter schließlich zur Aufgabe.

Nach dem ersten Stechen sind es immerhin noch fünf Pferde, deren Lenker darum wetteifern wollen, von Bremens Sportsenator Volker Kröning einen monströsen Pokal in die Hand gedrückt zu bekommen. Jetzt gilt's. „Prinzregent“, „Werra“, „Filius“, und „Traumtänzer“ schaffen wieder null. Letzerer täuscht mit seinem Namen allerdings falsche Eigenschaften vor. Er wird unter seinem Zügelhalter zum Rasantspringer, schafft die schnellste Zeit und verdient für seinen Besitzer 7.500 Mark. Und auch der Pflegr bekommt etwas: Ein großes Wurstpacket und eine Flasche Schnaps. Und wenn Traumtänzer am kommenen Wochenende in Neumünster auch den dritten Teil der Audi-Springerei für sich entscheidet, gibt's ein Auto dazu, für den Reiter natürlich. „Kriegt das Pferd auch einen Audi“, fragt die Kleine. Nein. Das wäre der Zumutung dann doch zuviel. Ein Klaps vom Senator reicht wirk

lich.

Holger Bruns-Kösters