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■ Radio Bremen: Sendung von Margot Overath über den Sinn des Dialogs mit Terroristen

„Wenn man den Trennungsstrich nicht klar genug zieht, geht er durch einen durch“ - das ist der vollständige Titel von Margot Overaths Feature, Zitat aus dem Brief eines RAF -Mitglieds an die Gruppe. Wer diesen Brief geschrieben hat, wurde in der Sendung entweder nicht, oder für meine Ohren nicht deutlich genug, gesagt. Und es war ohnehin nicht ganz einfach, dieser Sendung zu folgen, die sich sechzig Minuten lang komprimiert und - wie man in solchen Fällen meist etwas gönnerhaft zu sagen pflegt: „engagiert“ - mit dem Terrorismus, dem politischen Klima in der Bundesrepublik und den Möglichkeiten des „Dialogs“ mit RAF-Häftlingen auseinandersetzte.

Doch der Autorin gönnerhaft „Engagement“ zu bescheinigen, ist völlig fehl am Platz: Wer sich dem Thema Terrorismus analytisch und rational zu nähern versucht, kommt leicht im Sympathisanten-Vorwurf um, und es gehört - trotz Weizsäcker im Hintergrund - immer noch einiges an Mut dazu, so unaufgeregt, so sachlich, so ausführlich und begründet dafür zu plädieren, daß - und warum - der Versuch der von Braunmühls keine verpuffende Einzelaktion bleiben darf; zu zeigen - und mit Zitaten zu belegen -, daß die staatliche, totkalte Unversöhnlichkeit den terroristischen Haß mitproduziert und für die eigene Legitimation mißbraucht. Sicher: Sendungen dieser Art, die sich an ganz normal aufgehetzte Radiohörer wenden, Sendungen, die versuchen, das Dickicht der Eskalationen zu durchdringen, die versuchen, bequem festzementierte Weltbilder anzukratzen - solche Sendungen werden auf beiden Seiten mit Hohn und Wut quittiert. Umso unverzichtbarer sind sie in einem Klima, das nur „Staatsfeinde“ oder „Schweine“ kennt.

Interviews mit Gerhard Schneider, Klaus Jünschke und Peter -Jürgen Boock nehmen den größten Raum der Sendung ein, und wer es bisher nicht wußte oder nicht wissen wollte, erfährt, daß es gerade die Isolationshaft ist, die die RAF-Häftlinge daran hindert, „eine andere Perspektive zu entwickeln.“ Gerhard Schneider, der mit Christoph Wackernagel in Amsterdam verhaftet wurde, erzählt, wie „enttäuscht“ er über das geringe Strafmaß war: nur 15 Jahre. „Ich dachte, Mordversuch müßte mehr wert sein.“ Aber gerade die relativ geringe Strafe hat ihm ermöglicht, „die Gitter im eigenen Kopf fallenzulassen.“ Radikalisiert hat ihn der Prozeß gegen Klaus Jünschke, dann kam „die Faszination der Illegalität“, dann riß die Kommunikation zu anderen ab. „Eben noch Juso“, sagt Hille Darjes, die Margot Overaths Text vorzüglich spricht, zugleich neutral und innerlich beteiligt, „jetzt ein Phantom. Zwei Worte reichten, ihn vorzustellen: 'Vorsicht. Schußwaffengebrauch.'“

Von Larmoyanz ist in dieser Sendung keine Spur, keines der ehemaligen RAF-Mitglieder beschönigt, klagt an oder bedauert sich. Es ist ein Versuch, die eigene Vergangenheit zu verstehen, zu erklären, herauszuspüren, wie die Haß-Schraube zurückgedreht werden könnte. „Etwas Dramatisches wird nicht passieren, wenn das Gespräch mit Terroristen aufgenommen wird“, sagt Boock, „aber daß nichts passiert“ - wie Rebmann, der nur auf Verrat setzt, natürlich sagt - „ist Quatsch“.

„Daß nichts Dramatisches passiert“: diese Äußerung hätte übrigens Regisseur Wolfgang Bauernfeind beherzigen sollen: Er kann es leider nie unterlassen, mit akustischen Spielereien eine höchst überflüssige Dramatik zu suggerieren. Seine sägenden Violinen waren in diesem Feature kropfüberflüssig.

Sybille Simon-Zülch