Pakistan bleibt in seinen Grenzen

Pakistanische Regierung weist Annexionsvorwürfe Nadschibullahs zurück  ■ I N T E R V I E W

Militaristische und reaktionäre pakistanische Kreise wollten Afghanistan schlucken und zu einer fünften Provinz machen. Dies erklärte der afghanische Staats- und Parteichef Nadschibullah am Wochenende in einer Rundfunkansprache. Die Aufständischen hätten sich bereiterklärt, als Gegenleistung für Waffen und Geld einer afghanisch-pakistanischen Föderation zuzustimmen, schürte Nadschibullah die nationalistischen Gefühle der Bevölkerung: „Sagt mit einer Stimme Vaterland oder Tod“. Während der amerikanische Präsident Bush den Mudschaheddin vorerst weitere US -Militärhilfe zusagte, wies die pakistanische Regierung die Vorwürfe als absurd zurück. Die taz sprach mit dem Ministerpräsidenten der Nordwest-Grenzprovinz, Sherpao.

taz: Die Idee einer fünften pakistanischen Provinz Afghanistan ist nicht neu. Mitten durch das das ethnische Territorium der Pashtunen und Beluchen verläuft die Grenze der Nachbarstaaten. Bereits im Wahlkampf hat Premierministerin Benazir Bhutto Befürchtungen ausgesprochen, daß die bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse in Afghanistan an der pakistanischen Identität nagen und zu einem Erstarken der Regionalbewegungen führen könnten. Ist eine Expansion der Nordwest-Provinz über die pakistanische Grenze hinaus denkbar?

Sherpao: Schon Benazir Bhuttos Vater hat sich in seinen letzten Amtstagen mit dem damaligen afghanischen Präsidenten Daud über die Frage der Durand-Linie geeinigt. Heute ist die Grenze kein heißes Eisen mehr. Wir erkennen sie als permanente Grenze an. Wahr ist, daß 3,5 Millionen Flüchtlinge über diese Grenze gekommen sind und auch wieder nach Afghanistan zurückkehren. Die Grenze als solche bleibt aber bestehen. Und das heißt so, wie sie unter britischer Kolonialherrschaft gezogen wurde.

Wie sieht die Politik der Pakistanischen Volkspartei (PPP) gegenüber dem radikalfundamentalischen Flügel der Siebener -Wiederstandsallianz aus?

Wir wollen Frieden in Afghanistan, um die Menschen zurückführen zu können. Fundamentalisten wie Hekmathiar mögen hier im Exil einiges Gewicht haben, nicht aber in Afghanistan, wo die Kommandeure seit Jahren kämpfen. Es gilt jetzt, eine neutrale Person zu finden, die sowohl für die UdSSR als auch die westliche Welt akzeptabel ist; das könnte Afghanistans Exkönig Zahir Shah sein. Wir hoffen, daß die moderaten Kräfte auf die Fundamentalisten wirken und sich in der Ratsversammlung der Mudschaheddin durchsetzen können.

Befürchten Sie eine bürgerkriegsähnliche Situation in der Nordwest-Grenzprovinz? Noch immer leben zwei Drittel der Flüchtlinge auf dem Besitz einheimischer Bauern, die vergeblich auf eine Entschädigung warten.

Während der letzten acht Jahre gab es keinen ernsthaften Konflikt zwischen den Einheimischen und den afghanischen Flüchtlingen. Wir haben dieselbe Sprache, Religion und Kultur. Selbst wenn einige Mudschaheddin-Führer hier bleiben sollten, können sie hier keine bürgerkriegsähnliche Situation schaffen.

Interview: Simone Lenz