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Rühe attackiert Apartheid-Justiz

■ Pretoria verbietet Solidaritätsveranstalung für hungerstreikende politische Gefangene / Der bundesdeutsche CDU-Politiker Rühe als Mitglied mit einer Delegation der Internationalen Demokratischen Union in Südafrika / Menschenrechtsverletzungen verurteilt

Aus Johannesburg Hans Brandt Volker Rühe, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU Fraktion im Bundestag, hat Menschenrechtsverletzungen in Südafrika scharf verurteilt. Es sei „unhaltbar“, daß Apartheid-Gegner ohne Gerichtsverfahren jahrelang festgehalten würden, sagte Rühe am Sonntag zum Ende einer zehntägigen Südafrikareise im Gespräch mit Journalisten. „Viele von den Festgehaltenen sind die Führer von morgen“, sagte der CDU-Politiker. „Die sollten nicht im Gefängnis sein, sondern in den Schulen und an den Universitäten.“ Rühe sprach sich für gleichzeitigen Druck gegenüber der Regierung in Pretoria und für Unterstützung der Schwarzen aus.

Rühe sprach am Tag, nachdem das Apartheid-Regime alle Veranstaltungen zur Unterstützung der fast 300 hungerstreikenden politischen Gefangenen in ganz Südafrika verboten hatte. Das von Polizeikommissar Hennie de Witt am Samstag infolge des Ausnahmerechts verhängte Verbot richtete sich in erster Linie gegen eine in Johannesburg geplante Versammlung von mehr als 40 Rechtsanwälten, die sich zwei Tage lang dem Hungerstreik ihrer Mandanten angeschlossen hatten. Trotz des Verbots kamen etwa 250 Menschen am Samstag zum Versammlungsort. Dort wurden sie von Jules Browde, dem Vorsitzenden der Vereinigung „Rechtsanwälte für Menschenrechte“ von dem Verbot informiert. „Dieses Verbot zeigt, wie weit wir schon auf dem Weg zur Zerstörung des Rechtsstaates fortgeschritten sind“, sagte Browde. Das Verbot trifft allerdings auch alle anderen Veranstaltungen, die zur Unterstützung der Hungerstreikenden geplant waren. Die politischen Gefangenen, die ohne Gerichtsverfahren festgehalten werden - zum Teil schon seit mehr als zwei Jahren - fordern ihre sofortige Anklage vor Gericht oder Freilassung. Der Streik begann am 23.Januar in Johannesburg, breitete sich aber letzte Woche auch nach Port Elizabeth aus. Bisher sind 13 der streikenden Gefangenen in Krankenhäuser eingewiesen worden. Sieben wurden vor zehn Tagen freigelassen.

Der Minister für Recht und Ordnung, Adriaan Vlok, hat sich bisher geweigert, die Rechtsanwälte der Häftlinge zu treffen. Am Donnerstag sagte er in einer Erklärung, daß der Hungerstreik „von außen koordiniert“ werde. Sheena Duncan, Mitglied der südafrikanischen Menschenrechtskommission, erklärte dazu: „Herr Vlok sollte sich schämen. Seine Unnachgiebigkeit und die Mißachtung der Gerichtsbarkeit durch seine Regierung schaden dem Image dieses Landes in der Welt erheblich.“

In einem Leitartikel schrieb die Johannesburger Wochenzeitung 'Sunday Star‘ gestern, daß der Hungerstreik „eine erhebliche Herausforderung für die Regierung“ sei. „Zu einer Zeit, in der Pretoria geflissentlich versucht, der Welt ein einsichtigeres und flexibleres Bild zu präsentieren, hebt der Protest die Schande jener Methoden hervor, die noch immer benutzt werden, um demokratischen Protest zu unterdrücken,“ hieß es in der Zeitung.

Diese Einschätzung teilte auch Rühe, der als Mitglied einer neunköpfigen Delegation der „Internationalen Demokratischen Union“ (IDU) Südafrika besucht hatte. Rühe sagte, daß er zwar in der Regierung „neue Töne“ im Umgang mit Fragen der Rassentrennung festgestellt habe. „Man muß sehen, ob daraus neue Taten entstehen“, räumte er ein. In Menschenrechtsfragen sei allerdings keine Verbesserung zu erkennen. „Bei Sicherheitsfragen gibt es keine Möglichkeit, die Regierung zu beeinflussen“, sagte er. Dennoch schlug er vor, durch eine „richtige Mischung von Druck und Hilfe“ den Einfluß europäischer Regierungen in Südafrika auszubauen. Drohungen und Forderungen müßten miteinander verbunden werden, sagte Rühe. „Wir müssen unser Instrumentarium gezielter Hilfe ausbauen“, betonte der CDU-Politiker. In diesem Zusammenhang nannte er zusätzliche Stipendien für Schwarze, Hilfe beim Wohnungsbau und in der Berufsausbildung und Kapitalhilfe beim Aufbau kleiner, von Schwarzen geführter Betriebe.

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