Geiselnahme:Tonbänder verschollen

Wichtige Tonbandaufzeichnungen von Gesprächen der Gladbecker Geiselnehmer angeblich verschwunden Staatsanwaltschaft vor einer Kette von Merkwürdigkeiten / NRW-Innenminister Schnoor erneut kritisiert  ■  Aus Düsseldorf J. Nitschmann

Von dem umstrittenen Polizeieinsatz während der 54stündigen Gladbecker Geiselnahme, bei dem drei Menschen getötet wurden, sollen wichtige Tonbandaufzeichnungen verschwunden sein.

Wie der 'Spiegel‘ in seiner neuesten Ausgabe schreibt, ist die Bochumer Staatsanwaltschaft, die nach dem Gladbecker Geiseldrama gegen etliche Polizeibeamte wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung ermittelt, bei der Sichtung der Polizeiakten auf „eine Kette weiterer Merkwürdigkeiten“ gestoßen: „Tonbänder, die ein Staatsanwalt nach eigenen Angaben abgehört hat, gibt es plötzlich nicht mehr. Aussagen von Polizeibeamten wurden revidiert, Erinnerungen von Zeugen nachgeschoben.“

Dieser Darstellung zufolge hat die Staatsanwaltschaft Bochum bereits am 21.Oktober vergangenen Jahres jene Tonbandaufzeichnungen angefordert, „die von den Gesprächen in dem von den Geiselnehmern zuletzt benutzten Fluchtwagen gefertigt“ worden seien. Obwohl der Kölner Staatsanwalt Karl Uttermann - so das Magazin - gegenüber seinen Bochumer Kollegen selbst behauptet hat, Tonbandaufzeichnungen aus dem verwanzten BMW 735i der Geiselnehmer abgehört zu haben, will die Kölner Kripo nichts von der Existenz solcher Bänder wissen. Der 'Spiegel‘ äußert den Verdacht, daß hier „Pannen während der Geiselnahme vertuscht und Fehler der Einsatzleitung verschleiert“ werden sollten.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor (SPD), der wegen der offenkundigen Polizeipannen selbst erheblich unter Beschuß steht, soll starke Bedenken geltend gemacht haben, etwa Funkprotokolle als Beweismittel gegen Polizisten zu verwenden, weil es sich hier um „das flüchtig gesprochene Wort“ handele.

Ebenso soll Innenminister Schnoor dem Kölner Polizeipräsidenten Jürgen Hosse angeraten haben, die etwa 250 handschriftlichen Notizen über den Polizeieinsatz während des Geiseldramas der Staatsanwaltschaft „nicht auszuhändigen“. Erst nach heftiger Intervention des zuständigen Hammer Generalstaatsanwaltes Rudolf Mosqua seien von der Kölner Polizei in der vergangenen Woche bei den Bochumer Ermittlern weitere Unterlagen nachgelegt worden.

Schnoor, der gravierende Polizeipannen bislang entschieden bestritten hat, soll am Dienstag vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß des Düsseldorfer Landtags als erster Zeuge umfassend zum Ablauf der Gladbecker Geiselaffäre vernommen werden. Die Landtagsopposition von CDU und FDP hatte der Regierung Rau bereits in den vergangenen Wochen wiederholt vorgeworfen, sie betreibe gegenüber den Untersuchungsausschüssen in Bremen und Düsseldorf eine „Mauertaktik“.

Zu den jüngsten Informationen war am Sonntag weder von der Düsseldorfer Landesregierung noch vom Innenministerium eine Stellungnahme zu erhalten.