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Töpfer-Weisung an NRW im Zwielicht

Darf der Brüter nach Tschernobyl noch in Bertrieb gehen? / Kritiker: Töpfers Prüfverbot „unseriös“  ■  Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Bundesreaktorminister Töpfer spielt in dem bis zum Verfassungsstreit eskalierten Dauerclinch um den Schnellen Brüter in Kalkar mit gezinkten Karten. Die „verfahrensleitende Weisung“, mit der der Bonner CDU -Minister seinen Düsseldorfer Widersacher, den für die Kalkar-Genehmigung zuständigen Minister Reimut Jochimsen (SPD), zum Verzicht auf das sogenannte Tschernobyl-Gutachten zwingen will, beruht Kritikern zufolge auf unwissenschaftlichen und unseriösen Grundlagen. Die Tschernobyl-Studie sollte klären, ob das Sicherheitskonzept des fast fertiggestellten Brüters in Kalkar nach Kenntnis des Unfallhergangs in der Ukraine noch trägt. Töpfer will diese Studie nicht und begründet das mit einer Stellungnahme der stramm atomfreundlichen Reaktorsicherheitskommission (RSK). Die hatte bereits im April 1987 „keine Veranlassung“ gesehen, „das Sicherheitskonzept des SNR300 aufgrund des Unfalls in Tschernobyl in Frage zu stellen“.

Von der RSK-Stellungnahme war bisher nur das Schlußstatement bekannt. Sie fand aber ihren Weg zu Bremer Brüter-Kritikern um den Diplom-Physiker Richard Donderer. Und die bezeichnen das RSK-Papier als in weiten Teilen „falsch und irreführend“. Beide Texte liegen der taz jetzt vor. Auf 36 Seiten Fortsetzung auf Seite 2

Bericht und Interview auf Seite 8

weisen die Bremer Wissenschaftler der Reaktor-Kommission zahlreiche Fehler nach, die schließlich sogar zu „physikalisch unsinnigen Schlußfolgerungen“ geführt hätten.

„Nicht im Ansatz“ habe die RSK die mit der Tschernobyl -Katastrophe verbundene Gelegenheit wahrgenommen, die bisher rein theoretischen Modellrechnungen über „Exkursionsunfälle“ an der Wirklichkeit zu überprüfen - ein „Exkursionsunfall“ zerstörte den Reaktor in der Ukraine und steht auch im Mittelpunkt aller Sicherheitsanalysen beim Schnellen Brüter. Vor allem aber stütze die RSK ihre Überlegungen über mögliche Unfallabläufe im Brüter auf falsche, relativ harmlose Grundannahmen und komme deshalb zu entsprechend harmlosen Ergebnissen. Fazit der Analyse: Töpfers „Begutachtungsverbot“ sei mit der RSK-Stellungnahme „fachlich nicht zu begründen“ und entbehre daher „einer seriösen, wissenschaftlich nachvollziehbaren Grundlage“.

Die Bremer Brüter-Kritiker, die einen zentralen Teil des Jochimsen-Gutachtens erarbeiten sollten, wol

len jetzt eine öffentliche Diskussion über die Tragfähigkeit der „Sicherheitsphilosophie“ in Kalkar nach dem Unfall von Tschernobyl initiieren. Im Gespräch mit der taz erklärte Richard Donderer, er glaube nicht, daß „der Brüter schon tot“ sei. Das Projekt könne überhaupt nur auf zwei Wegen endgültig begraben werden. Entweder die Essener Betreiberfirma SBK gehe „pleite“ und ziehe den Genehmigungsantrag zurück. Oder die Genehmigung zur Inbetriebnahme werde nicht erteilt. Das gehe jedoch nur, wenn „Sicherheitsbedenken dagegen sprechen“. Alle anderen Aspekte, wie die Entsorgungsfrage oder Zweifel an der Zuverlässigkeit der Betreiber, hält Donderer für „nicht projektgefährdend“. Die Bremer Wissenschaftler gehen davon aus, daß das Bundesverfassungsgericht Töpfers Brüter-Weisung aufheben muß, falls es die Klage aus Nordrhein-Westfalen annimmt.

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