SPD-Kompromiß nun „Haar in der Suppe“

■ Concordia-Tunnel: SPD-Bausprecher verkaufte alte Behördenplanung als Kompromißangebot an die Bürgerinitiative / SPD-UB-Vorständlerin glaubt eigenem Genossen „fast nichts mehr“

Eine Gruppe Schwachhauser Bürger versucht die Bremer Sozialdemokraten zu diffamieren, in dem sie in menschenverachtender Weise den Sprecher der Baudeputation, Karl-Heinz Schreiber, der Täuschung, des Betruges, der Lüge und der Arroganz bezichtigt. So beklagte sich in der vergangenen Woche Schreiber selbst per Pressemitteilung und warf den Bürgerinitiativen seinerseits „Lüge“ und „Arroganz“

vor. Gestern mußte Schreiber zugeben, daß die Bürgerinitiative „Keine Stadtautobahen durch Bremen“ ein „Haar in der Suppe“ gefunden hat.

Das „Haar“ stammt von Horst Bullermann, dem Chef des Amtes für Straßen-und Brückenbau. Der hatte der Bundesbahn am 23.6.1987 schriftlich gegeben, was Karl-Heinz Schreiber in der vorletzten Woche als brandneues Kompromißangebot der SPD

Fraktion in Sachen Concordia-Tunnel öffentlich gemacht hatte: „Für den Individualverkehr werden zusätzlich in jeder Fahrtrichtung eine Fahrbahn von 7,0 m (2 x 3,50m) geschaffen.“

Schreiber hatte vorgeschlagen, daß die Spuren für die Autos nicht vier Meter, sondern nur 3,50 Meter breit werden sollen. Wie kam der SPD-Bauexperte überhaupt auf vier Meter? „Das ist so ein Standardmaß“, gab

Schreiber gestern zu. Das heißt im Klartext: er ist von Vermutungen ausgegegangen. Den Brief Bullermanns an die DB will Schreiber nicht gekannt haben: „Das ist rein zufällig.“

„Ich glaube fast gar nichts mehr von dem, was Schreiber oder Bullermann sagen“ - Christine Biesinger ist nicht nur Aktivistin gegen die Verbreiterung des Tunnels, sondern auch Mitglied im Vorstand des SPD-Unterbezirks Bremen-Ost. Zusammen mit zwei Rechtsanwälten stellte sie gestern, zwei Tage vor dem Prozeßtermin vor dem Bremer Verwaltungsgericht, der Presse noch einmal die gesammelten Einwände vor. Am Mittwoch hat das Verwaltungsgericht über zwei Klagen gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses, sprich den baldigen Baubeginn, zu verhandeln. Die Bundesbahn begründet die Eilbedürftigkeit mit der dringenden Sanierung zweier Intercity-Gleise. Dazu der Rechtsanwalt eines der Kläger: „Die Bundesbahn redet seit 1978 von einer dringenden Erneuerung. Es gibt aber kein Gutachten, das die Baufälligkeit der Brücke belegt.“ Noch 1983 habe der damalige Bundesverkehrsminister Dollinger der Brücke schriftlich zehn Jahre Nutzungsdauer bescheinigt. Es bleibe also genügend Zeit für einen 12-monatigen Baustopp.

Weiterer Einwand der Juristen: Tunnelverbreiterung und Straßenausbau seien als ein Gesamtplan zu werten. Tatsächlich hat aber bislang lediglich die Bundespost ein Planfeststellungsbeschluß erwirkt, obwohl damit, so das Argument der Juristen, die Straßenverbreiterung planerisch vorweggenommen werde.

In den Behörden-Schubladen schmort derweil ein Papier des Aachener Verkehrsgutachters Beier, der im Auftrag der Senatorin für Umweltschutz und Stadtentwicklung Alternativen zu den zehn Jahre alten Betonplänen entwickeln sollte. Weder Bürgerinitiativen noch die zuständige Deputation haben das Papier bislang zu Gesicht bekommen. Bis auf Deputationssprecher Schreiber, der seinen „Kompromiß“ durch den Gutachter voll abgedeckt sieht. In der Tat hatte der ehemalige Senatsdirektor Hans-Otto Schulte auf Basis der Beier-Vorschläge ein zum Teil wortgleiches Papier verfaßt, das den vierspurigen Ausbau der Schwachhauser Heerstraße vorsieht, allerdings nur bis zur Hollerallee und nicht auf ganzer Länge. Aber selbst mit dieser nur kleinen Änderung konnte sich Schulte offensichtlich nicht durchsetzen. „Das ist nicht Senatsmeinung. Der Senat hatte sicher gute Gründe Herrn Schulte zu entlassen“, so Amtsleiter Bullermann gestern über seinen bisherigen Chef.

hbk