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Harmoniesoße (ML-Mona Lisa, 12.2.89, 18.10 Uhr, ZDF)

(ML-Mona Lisa, 12.2., 18.10 Uhr, ZDF) Einen tiefen Eindruck von der Eintracht unserer beiden großen Volksparteien in einem besonders strittigen Problem konnte die verblüffte Fersehzuschauerin am Sonntag nachmittag gewinnen. Das Frauenmagazin Mona Lisa widmete sich diesmal dem Thema Verhindertes Leben - Probleme des Schwangerschaftsabbruchs - weltweit betrachtet. Doris Pack von der CDU, eine der beiden Studiogäste, wurde immer als erste gefragt. Ihre äußerst fortschrittliche Ansicht, daß das bestehende Gesetz gut sei, konnte Dolly Hüther (SPD und Pro Familia) nicht mehr überbieten. Das zeigte die mehrmals von ihr gewählte Formulierung “...wie Frau Pack schon sagte...“. Der kleine Unterschied, daß Frau Pack durchaus, wenn auch nur im Nebensatz, für eine noch bessere Beratung plädierte, und Frau Hüther diese durch den §218 geregelt sah, wurde von der Moderatorin, Maria von Welser, nicht aufgegriffen. Die Feststellung, daß hinter dieser kleinen Differenz die aktuelle Diskussion um eine Verschärfung des §218 verborgen liegt, wurde der Zuschauerin erst gar nicht zugemutet. Sehr viel informativer waren dagegen die filmischen Beiträge: in den USA gibt es, ähnlich wie hierzulande, eine Bewegung gegen die 1973 vorgenommene Liberalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, teilweise sogar mit militanten Auswüchsen wie z.B. Abschalten der Sauggeräte während des Eingriffs. Für die Anhänger dieser Bewegung scheint es absolut keine Notfälle zu geben, auch nicht die Bedrohung des Lebens von Mutter und Kind, die eine Fortsetzung der Schwangerschaft in Frage stellen könnten. „Keine Aufgabe, die uns Gott auferlegt, ist so groß, daß wir sie nicht tragen könnten.“

Aus den Niederlanden (woher sonst?) endlich was Positives! Lustiger Aufklärungsunterricht in der Mittelstufe! Mit Kondom - überm Besenstiel natürlich! Darüber hinaus gibt es spezielle Beratungsstellen für Jugendliche. Das einzige für Männer gedachte Verhütungsmittel, das Kondom, muß mann sich allerdings selber kaufen. (Ob das die männliche Verhütungsfreude fördert?) Immerhin, die Aufklärung hat Erfolg: Mit zehn Abbrüchen auf hundert Schwangerschaften liegt Holland auf der Abtreibungsskala ganz unten, weit unter Ländern mit sehr scharfer Gesetzgebung wie zum Beispiel Irland und auch unter der Bundesrepublik mit zwanzig Abbrüchen auf 100 Schwangerschaften. Aufklärung war auch das Stichwort für den Fortgang der „Diskussion“. Wiederum herrschte große Harmonie, bis auf den kleinen Unterschied, daß die CDU Abgeordnete die Pille eben doch nicht auf Rezept haben wollte. Aber dieser kleine Strörfaktor wurde überbrückt durch rasch eingeblendete „gemeinsame“ Forderungen nach Aufklärung und kostenlosen Verhütungsmitteln. Ein nettes Sonntagnachmittagsgespräch im 'Brigitte'- Stil, öffentlich-rechtlich ausgewogen, das genial über die Not der betroffenen Frauen hinwegplätscherte.

S. K.

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