Milliarden-Programm für Unis nicht gesichert

Keine verbindliche Zusage vom Bundeskabinett für weitere Finanzmittel zugunsten der Hochschulen / Bremens Bildungssenator Franke: Für Hochschulen kündigt sich ein „heißes Sommersemester“ an / SPD fordert Hochschul-Dringlichkeitsprogramm in Milliardenhöhe  ■  Von Holger H.Lührig

Bonn (taz) - Ein „äußerst heißes Sommersemester“ kündigt sich nach den Worten des Bremer Bildungssenators Horst -Werner Franke (SPD) an, nachdem Bundesbildungsminister Jürgen Möllemann (FDP) vom Bundeskabinett keine verbindlichen Zusagen für weitere Finanzmittel zugunsten der Hochschulen erhalten hat. Die Untätigkeit der Bundesregierung und der „zynische Politpoker“ auf dem Rücken der Hochschulangehörigen, kommentierten ähnlich die grünen Bundestagsabgeordneten Imma Hillerich und Dietrich Wetzel, würden an den Hochschulen die „passenden Antworten“ erhalten.

Wie groß das „Desaster“ (Franke) sein muß, ließ sich schon in Möllemanns Pressekonferenz am Freitag nach der Kabinettssitzung erahnen, als er den Ländern den Schwarzen Peter für die weitere Entwicklung zuschob: Erst wenn die Länder, so Möllemann, die „absolut unzureichende Grundausstattung“ der Hochschulen mit Personal und Lernmittel abzustellen und ihren Pflichten nachzukommen bereit seien, werde Bonn mit weiterem Geld helfen. Ein Bildungsminister, der nur Versprechungen mache, aber in Wirklichkeit mit leeren Händen dastehe und obendrein den Ländern ihre Pflichten vorrechne, sei „überflüssig“, konterte daraufhin Franke unter dem Beifall seiner Länderkollegen. Dabei wissen die LänderministerInnen natürlich, wie recht der Bonner Minister eigentlich hat: Der turnusmäßig ins Amt gekommene neue Präsident der Kultusministerkonferenz, der rheinland-pfälzische Kultusminister Georg Gölter (CDU) hatte es seinen LänderkollegInnen in einer Rede anläßlich seiner Amtsübernahme Mitte Januar unverblümt ins Album geschrieben: Nachdem die Hochschulausgaben pro StudentIn 1987 im Vergleich zu 1970 von 13.087 Mark jährlich auf 11.738 Mark abgesunken seien, werde eine Entspannung der Situation an den Hochschulen nur erreichbar sein, „wenn die Hochschulhaushalte pro Jahr jeweils doppelt so stark wachsen wie die Landeshaushalte“. Doch der Mainzer Kultusminister hatte zugleich auch eine Mitverantwortung des Bundes reklamiert: „Wir sind darauf angewiesen, daß die Mittel für den Hochschulbau ab 1990 von seiten des Bundes auf 1,2 Milliarden Mark aufgestockt werden.“

Dieser Anforderung kann der Bildungsminister - jedenfalls nach dem Ergebnis der Kabinettssondersitzung vom Freitag nicht nachkommen. Möllemann, der selbst eine Aufstockung auf 1,3 Milliarden Mark ins Gespräch gebracht hatte, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht einmal sicher sein, daß in diesem Jahr wenigstens die im Rahmen des Hochschulsonderprogramms vorgesehenen Bundesmittel zusäzlich zur Verfügung stehen. Im Hause von Bundesfinanzminister Stoltenberg (CDU) hält man es nämlich nicht für ausgeschlossen, daß das „im Grundsatz vereinbarte“ Sonderprogramm nicht schon in diesem Jahr - wie angekündigt

-, sondern erst 1990 anlaufen wird. Gegenwärtig sind sämtliche Modalitäten des 2,1-Milliarden-Programms ungeklärt, und ein Bonner Nachtragshaushalt ist nicht in Sicht.

Das Klima, in das das Bemühen des Bildungsinisters fällt, das Kabinett zu finanzwirksamen Beschlüssen schon vor der Verabschiedung des Bundeshaushaltsentwurfs für 1990 zu bewegen, ist frostiger denn je. Das macht sich an der Tatsache, daß der für finanzwirksame Entscheidungen zuständige Minister Stoltenberg der Kabinettssondersitzung fernblieb, ebenso fest wie an den Bekundungen anderer Kabinettsmitglieder, weitere Mittelzusagen für den Bereich der Hochschulen müßten im Zusammenhang mit anderen anstehenden finanzpolitischen Entscheidungen gesehen werden, beispielsweise familienpolitischen Entlastungen wie Erziehungsgeld und Kindergeld. Unverkennbar ist für Bonner Beobachter, daß Möllemanns Rechnung nicht aufgegangen ist, mit der Rückendeckung des maßgeblichen Unionsbildungspolitikers Gölter und dem Rückenwind des Berliner Wahlergebnisses eine Wiederherstellung des finanzpolitischen Engagements des Bundes im Bildungsbereich wie in sozialliberalen Zeiten zu erzwingen. „Die Uhren in Bonn gehen anders“, ließ ein Bonner Insider wissen, der zugleich darauf aufmerksam machte, daß gleich zwei Damen in der Kabinettsrunde sitzen, die Möllemanns Begehrlichkeiten nach mehr Finanzmitteln für sein Haus bremsen: die frühere Bonner Bildungsministerin Dorothee Wilms, unter deren Ägide die Bundesmittel für den Hochschulbau seit 1982 drastisch zurückgefahren wurden, und die neue Bundesfamilienministerin Ursula Lehr. Auch sie reklamiert für neue Ausgaben Geld, das nur einmal ausgegeben werden kann.

Am Ende sitzt der Bundesbildungsminister erst einmal zwischen allen Stühlen. Im Kabinett hat er auch jene verprellt, die er als Bündnispartner braucht: die Kultusminister. „Die Bonner Null-Lösung ist peinlich für den Bundesbildungsminister und ärgerlich für alle, die ihn ernst genommen haben“, resümierte die NRW-Wissenschaftsministerin Anke Brunn (SPD) verdrossen, die wiederum weiß, daß ohne Möllemanns versprochenen Milliardensegen sie selbst es schwer genug haben wird, der eigenen Kabinettsrunde in Düsseldorf zusätzliche Haushaltsmittel für die Hochschulen abzutrotzen. Hoffen kann sie aber darauf, daß wenigstens nun die eigene Partei die Not der Hochschulen erkennt.

Die forderte gestern von der Bundesregierung ein Hochschul -Dringlichkeitsprogramm in Milliardenhöhe. Darin wird u.a. verlangt, in fünf Jahren mindestens jährlich 2000 Stellen an den Hochschulen neu einzurichten. Die Hälfte der Stellen soll mit Frauen besetzt werden. Darüber hinaus soll die soziale Lage der Studierenden deutlich verbessert werden. Dazu gehöre die baldige Umsetzung der Forderungen des Bafög -Beirats: Wiedereinführung des Schüler-Bafög und Umstellung des Volldarlehens für StudentInnen auf eine Mischförderung. Dazu solle u.a. privater Wohnraum durch umfassendere Zuschüsse als bisher erschlossen werden.