Tabu Wehrmacht

■ Der Bonner OB hat Filbinger zum Vorbild

Man muß sich diesen Satz des Bonner Oberbürgermeisters auf der Zunge zergehen lassen: „Der einzelne Soldat ... darf nicht ins Unrecht gesetzt werden.“ Hans Daniels spricht hier, wohlbemerkt, von einem Soldaten der faschistischen Wehrmacht, der seinen bescheidenen Beitrag dazu leistete, 20 Millionen Sowjetbürger umzubringen. Dieser Soldat soll nun nicht ins Unrecht gesetzt werden - das heißt nach den Regeln der Logik: er war bisher im Recht.

Der Bonner Oberbürgermeister ist nicht nur Vertreter des deutschen CDU-Volks im Bundestag, sondern auch Jurist: Es darf also angenommen werden, daß er seine Worte wohl bedacht hat. Da nützt es ihm wenig, daß er sich vorher mit der Allerweltsformel absicherte, der zweite Weltkrieg sei „ein Verbrechen gegen die Menschheit“ gewesen. Es gibt kein Verbrechen ohne Verbrecher, keine Tat ohne Täter.

Die Rolle der Wehrmacht im Vernichtungsprogramm der Nationalsozialisten ist das bestgehütete Tabu deutscher Vergangenheitsbewältigung. Im blinden Haß auf diejenigen, die die Fahnenflucht für ehrenvoller halten als die Mittäterschaft, hat Daniels genau das zum Thema gemacht, was er tabuisieren wollte. Der Kampagne für ein Deserteur -Denkmal hat er damit eine ausgezeichnete Vorlage geliefert: Wenn der oberste Politiker der Hauptstadt daherredet wie Filbinger, muß die Angelegenheit zum Politikum werden.

Charlotte Wiedemann