Was so alles passiert

■ „Winter People“ ist ein prächtiger Heile-Welt-Film mit prächtigen Menschen, prächtigen Bergen und einem Schwein

Es kann schon eine Menge passieren, wenn ein Laster stecken bleibt. Das muß Uhrmacher Wayland Jackson (Kurt Russell) mit Tochter Paula bald erfahren. Fiese Waldschrate mit wallenden Mähnen rauben ihm die Einzelteile seines Fahrzeugs fast unter dem Hintern weg. Die beiden befinden sich in den Wäldern von North Carolina, die wirtschaftliche Depression der dreißiger Jahre ist spürbar.

Von jenseits der Berge sei er gekommen, befindet die junge Frau, die Wayland und Paula aufnimmt, und schon kann ein Liebesfilm seinen Lauf nehmen, der im wahrsten Sinne von Menschen handelt, die hinter dem Berg leben. Winter People von Regisseur Ted Kotcheff spielt mit der heilen, unberührten Welt der einfachen Leute und wer sich auf so eine Sache einlassen will, kann einigen Spaß damit haben.

In einer Blockhütte lebt Collie Wright (Kelly McGillis) mit ihrem Baby. Die ledige Mutter hat sich von ihrer Sippe getrennt und steht nun ganz ihre Frau in der rauhen Wildnis. Da kommt Wayland gerade recht, etwas Ab

wechslung in den tristen Alltag zu bringen, schließlich hat er sich der Dorfgemeinschaft gegenüber verpflichtet, eine Turmuhr zu errichten. Nie war es so einfach, ein nützliches Mitglied eines Mikrokosmos zu werden.

Doch die Idylle trügt. Wie der einsetzende Winter hält auch die menschliche Kälte Einzug, denn da sind auch die Campbells. Wenn der böse Nachbar es nicht will, so mögen auch die frommen Wrights nicht in Frieden leben. Ausgerechnet der glutäugige Poltersproß Cole Campbell entpuppt sich als Vater des Wrightschen Babys. Doch Wayland kriegt auch das geregelt, Zuversicht und unendliche Liebe haben ja schon so oft ganze Berge versetzt.

In Winter People dürfen, ja müssen die Berge stehenbleiben, sie werden noch gebraucht. Nach dem Tod Coles fungieren sie zunächst als Schutzwall gegen die Campbells und dann als Kulisse für ein Happy End, das herzergreifender gar nicht sein kann. Eine Hochzeit, das Ende der Fehde, ein Baby, das in die Arme der überglücklichen Mutter zurückfindet und natürlich eine Uhr im Turm.

So oder so ähnlich muß es zugegangen sein, als die Täler noch weit und die Raufereien noch herzlich waren. Da mag dem Regisseur verziehen werden, daß er sich weiland dazu herabließ, einen Rambofilm zu drehen und auch diesmal darauf verzichtete, von seinen SchauspielerInnen Großartiges zu verlangen. Sie dürfen ruhig etwas dull durch Landschaft wandeln, das machen die Berge wieder wett.

Schade nur, daß wir wieder einmal mit der synchronisierten Fassung Vorlieb nehmen müssen, ist doch im Abspann eigens ein dialect coach aufgeführt. Aber auch auf deutsch sollten wir das Taschentuch in Reichweite halten um zu sehen, was alles passieren kann, wenn der Laster stecken bleibt.

Jürgen Francke